In diesem Zeitalter des Liberalismus kann Gehorsam wie eine rückständige Vorstellung erscheinen. Es ist wahr, dass blinder Gehorsam der Welt Schaden zufügen kann, besonders wenn man sich einer fehlgeleiteten Sache unterwirft oder wenn man anderen blind folgt, ohne die Wahrheit selbst zu erforschen. Aber wenn Sie eine Person oder eine Sache erkennen, die wirklich edel ist, kann die Hingabe Ihrer Zeit, Ihrer Energie und Ihres Willens an sie sinnvoll zu einer besseren Welt beitragen.
Nach dem spezifischen Verständnis der Bahá’í-Perspektive ist wahrer Gehorsam, wenn eine Person sich mit ganzem Herzen den Manifestationen Gottes hingibt, denn die Manifestationen sind die Stimme Gottes und die göttlichen Ärzte, die das Heilmittel für die Leiden der Zeit kennen, in der sie leben:
»Die Propheten und Boten Gottes wurden zu dem einzigen Zweck herabgesandt, die Menschheit auf den geraden Pfad der Wahrheit zu führen.«
»Der allwissende Arzt legt Seinen Finger an den Puls der Menschheit. Er erkennt die Krankheit und verschreibt in Seiner unfehlbaren Weisheit die Arznei.«
»Wisset mit Gewissheit, dass Meine Gebote die Lampen Meiner liebevollen Vorsehung unter Meinen Dienern und die Schlüssel Meiner Gnade für Meine Geschöpfe sind.«
(Bahá’u’lláh, 'Ährenlese aus den Schriften Bahá’u’lláhs')
Da die Manifestationen wissen, was das Beste für die Menschheit ist, ist es wichtig, ihre Lehren in die Praxis umzusetzen. Weil die Manifestationen einen viel höheren Sinn für Weisheit und spirituelle Wahrnehmung haben als der gewöhnliche Mensch, setzt jeder Gläubige sein Vertrauen in diese Ratgeber. Und weil der Gläubige ihre göttliche Weisheit anerkennt, befolgt er ihre Anordnungen.
Es ist wichtig zu erwähnen, dass ein Gläubiger zwar weiß, dass die Führung der Manifestation für ihn von Nutzen ist, aber nicht wegen dieses Nutzens beachtet er ihre Ratschläge. Sie beherzigen ihre Ratschläge, weil sie an die Manifestation glauben, sie tun es aus Liebe zu Gott. Natürlich glauben wir, dass wir die spirituellen Wohltaten erhalten können, die dies mit sich bringt, aber das ist nicht die Motivation hinter wahrem Gehorsam. Wahrhaftig zu gehorchen bedeutet, Weisungen zu befolgen, ohne Rücksicht auf den eigenen Gewinn zu nehmen.
»O Sohn des Menschen!
Durcheile die Weiten des Alls und durchquere die Höhen des Himmels – du wirst doch keine Ruhe finden, außer im Gehorsam gegen Unser Gebot und in der Demut vor Unserem Antlitz.«
(Bahá’u’lláh,'Verborgene Worte')
Für manche mag dies etwas blind klingen. Kann es jedoch sein, dass der Gehorsam gegenüber einer Manifestation Gottes nicht blind ist, wenn er eine unabhängige Untersuchung von Seiten jedes Einzelnen beinhaltet, um festzustellen, ob er an die Manifestation glaubt. Wenn eine Person die Station der Gewissheit erreicht, wird sie dann den Ratschlägen der Manifestationen folgen. Letztendlich beinhaltet wahrer Glaube also sowohl die Akzeptanz der Manifestation als auch die Bereitschaft, nach den Lehren der Manifestation zu handeln.
»Für die, die an die Einheit Gottes glauben, ist kein Paradies erhabener als der Gehorsam gegenüber Gottes Geboten, und in den Augen derer, die Gott und Seine Zeichen erkennen, ist kein Feuer verzehrender als der Verstoß gegen Seine Gesetze und die Bedrückung einer anderen Seele, und sei es nur mit der Last eines Senfkorns. Am Tag der Auferstehung wird Gott gewiss alle Menschen richten. Und wahrlich, wir alle werden um Seine Gnade flehen.«
(Der Báb, 'Eine Auswahl aus Seinen Schriften')
Außerdem reicht es vielleicht nicht aus, dass ein Mensch den Ratschlägen der Manifestation folgt; er sollte auch versuchen, Sie zu verstehen:
»Lasset uns trachten, die Gebote des Höchsten zu verstehen und unser Leben nach Seinem Geheiß zu ordnen. Wahre Glückseligkeit hängt von geistigem Wohl ab und davon, dass wir das Herz stets offen halten, um die göttliche Güte zu empfangen.«
(‘Abdu’l-Bahás, 'Ansprachen in Paris')
Der Mensch ist ein bewusstes Wesen, das dazu bestimmt ist, immer höhere Bewusstseinszustände zu erreichen. Zu gehorchen, ohne nachzudenken, wäre für diesen Zweck eher kontraproduktiv. Und während einige der Gebote der Manifestation einfach erscheinen, sind andere offener für Interpretationen. Das bedeutet, dass der Gehorsam ihnen gegenüber das Bestreben beinhaltet, ihre Grundsätze und Lehren zu verstehen.
Ein weiterer Aspekt der Anwendung unseres Verständnisses von Gehorsam ist die Fähigkeit, uns selbst zu verstehen. In vielen Fällen ist der Akt der Unterwerfung unter die Ratschläge der Manifestation oder die Führung von Institutionen keine passive Aufgabe; er erfordert unser aktives Engagement. Jeder Mensch ist anders und hat seine eigenen einzigartigen Fähigkeiten. Daher impliziert das standhafte Befolgen der Führung die Notwendigkeit, zu verstehen, wie wir in der Lage sind, dies zu tun. Zum Beispiel betont Bahá’u’lláh, wie wichtig es für jeden Gläubigen ist, Seine Botschaft weiterzugeben. Die Art und Weise, wie dies getan wird, hängt von den Interessen und Fähigkeiten jedes Einzelnen ab. Das Universelle Haus der Gerechtigkeit hat einen Handlungsrahmen, der die Handlungen der Gemeinschaft leitet. Innerhalb dieses Rahmens kann jeder Einzelne darüber nachdenken und wählen, wie er am besten zu diesen kollektiven Bemühungen beitragen kann.
Zusammen mit dem Verständnis, das den Gehorsam begleitet, ist es die Liebe, die ihn durchdringen muss:
»Haltet Meine Gebote aus Liebe zu Meiner Schönheit!«
(Bahá’u’lláh, 'Kitáb-i-Aqdas')
Das Verständnis dieser Passagen könnte sein, dass Gott möchte, dass wir Ihm um unseres eigenen Wohls willen gehorchen, aber Er möchte nicht, dass wir dies widerwillig oder blindlings tun. Wenn wir Gott lieben, werden wir uns Ihm durch diese Liebe hingeben. Unser Gehorsam Ihm gegenüber ist kein mechanischer oder erzwungener Akt; es ist ein aufrichtiger Akt der Hingabe. Natürlich mögen unsere Bemühungen anfangs mit einigem Zögern oder Schwierigkeiten verbunden sein. Aber mit der Zeit und dem Gebet werden unsere Taten des Gehorsams immer reiner und liebevoller werden.
Wenn wir darüber nachdenken, dass es ein Spektrum von verschiedenen Ebenen des Gehorsams gibt. Zunächst haben wir den Begriff des einfachen Gehorsams: einfach zu tun, was von einem verlangt wird. Darüber liegt der bewusste Gehorsam: zu gehorchen und zu verstehen, wozu man sich unterordnet. Und darüber liegt der bewusste und liebende Gehorsam: nicht nur zu verstehen, was man befolgt, sondern auch mit Hingabe gehorsam zu sein.
Wenn Sie bis hier hin gelesen haben, geben Ihnen die folgenden Zitate voraussichtlich noch weitere Führung zu diesem Thema:
»Dir gebührt wahrlich Lobpreis für alles, was Du in der Vergangenheit getan oder in der Zukunft tun wirst, und Dir gebührt Gehorsam in allem, was Du verlangt hast oder verlangen wirst, und Dir gebührt Liebe in allem, was Du gewünscht hast oder wünschen wirst. Du schaust auf Deine Lieben mit den Augen Deiner Gnade und schickst ihnen nur, was ihnen durch Deine Gunst und Deine Gaben Nutzen bringt.«
(Bahá’u’lláh, 'Gebete und Meditationen')
»Wahrlich, ich bin Dein Diener, o mein Gott, Dein Armer, Dein Bittsteller, Dein elendes Geschöpf. Auf der Suche nach Deinem Schutz habe ich Dein Tor erreicht. Keine Zufriedenheit habe ich gefunden außer in Deiner Liebe, kein Frohlocken außer im Gedenken an Dich, kein Verlangen als den Gehorsam vor Dir, keine Freude außer in Deiner Nähe, und keine Ruhe als in der Vereinigung mit Dir, auch wenn ich mir bewusst bin, dass alles Erschaffene von Deinem erhabenen Wesen ausgeschlossen und der ganzen Schöpfung der Zugang zu Deinem innersten Sein verwehrt ist. Wann immer ich Dir zu nahen trachte, spüre ich in mir nichts als die Zeichen Deiner Gunst und erblicke in meinem Wesen nur die Offenbarungen Deiner Gnade «
»Wie kann ein Wesen, das nur Dein Geschöpf ist, Vereinigung mit Dir suchen und in Deine Gegenwart gelangen, wo doch kein erschaffenes Ding sich Dir je zugesellen oder Dich begreifen kann? Wie kann ein bescheidener Diener Dich erkennen und Dein Lob anstimmen, selbst wenn Du ihm die Offenbarungen Deiner Herrschaft und die wunderbaren Beweise Deiner höchsten Gewalt bestimmt hast? So bezeugt jedes erschaffene Ding, dass es durch die seinem inneren Wesen auferlegten Begrenzungen vom Heiligtum Deiner Gegenwart ausgeschlossen ist. Unbestreitbar wirkt jedoch Deine Anziehungskraft für alle Ewigkeit in den Wesenheiten Deiner Schöpfung, wenn auch, was dem geweihten Hofe Deiner Vorsehung ziemt, hoch erhaben ist über alle Errungenschaften der ganzen Schöpfung. Dies erweist, o mein Gott, meine gänzliche Ohnmacht, Dich zu preisen, und offenbart mein völliges Unvermögen, Dir Dank zu sagen, geschweige denn, Deine göttliche Einheit zu erkennen oder die klaren Zeichen Deines Lobes, Deiner Heiligkeit und Deines Ruhmes zu erreichen. Nein, bei Deiner Macht, ich sehne mich allein nach Dir und suche niemanden als Dich.«
(Der Báb, 'Eine Auswahl aus Seinen Schriften')
»Bahá’u’lláh hat den Kreis der Einigkeit geschlagen. Er hat einen Plan geschaffen, um alle Völker zu vereinen und sie alle unter dem schützenden Zelt der allumfassenden Einheit zu versammeln. Dies ist das Werk der göttlichen Freigebigkeit, und wir alle müssen uns mit Herz und Seele mühen, bis wir die Einheit tatsächlich in unserer Mitte haben, und in dem Maß, in dem wir arbeiten, werden wir Kraft empfangen. Lasst von allen Gedanken des Ichs ab und seid bestrebt, allein dem Willen Gottes gehorsam und ergeben zu sein. So nur werden wir Bürger des Reiches Gottes werden und zum ewigen Leben finden.«
(‘Abdu’l-Bahá, 'Ansprachen in Paris')
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