In einer Welt mit 8 Milliarden sensiblen und unvollkommenen Menschen ist es unvermeidlich, dass Gefühle verletzt werden. Die Frage ist: "Werde ich anderen vergeben und loslassen oder werde ich einen Groll hegen?"
Vergebung wird oft als ein wichtiger Aspekt der Liebe angesehen, weil sie es den Menschen ermöglicht, vergangene Verletzungen und Ressentiments loszulassen und in einer positiven und liebevollen Beziehung weiterzumachen.
Wenn jemand in der Lage ist, zu vergeben, kann er negative Gefühle wie Wut, Bitterkeit und Groll gegenüber der Person, die ihm Unrecht getan hat, loslassen. Dadurch kann man sich auf die positiven Aspekte der Beziehung konzentrieren und eine stärkere Bindung zu der anderen Person aufbauen.
»Wahrlich, der Odem der Vergebung weht von der Stätte deines Herrn, des Gottes der Gnade. Wer sich Ihm zukehrt, wird von seinen Sünden, von aller Pein und Krankheit gereinigt. Glücklich der Mensch, der sich diesem Odem zuwendet, und wehe dem, der sich abkehrt!«
(Bahá’u’lláhs, 'Brief an den Sohn des Wolfes')
Vergebung trägt auch zur emotionalen Heilung bei und kann zu größeren Gefühlen von Empathie, Mitgefühl und Verständnis führen. Sie ermöglicht es den Menschen, die Dinge aus der Perspektive der anderen Person zu sehen und zu verstehen, dass jeder Fehler macht.
Vergebung ermöglicht es den Menschen auch, vergangene Erfahrungen loszulassen, die sie möglicherweise zurückhalten, und sich auf die Gegenwart und die Zukunft zu konzentrieren. Sie ermöglicht es den Menschen, vergangene Traumata zu überwinden und sich für neue Möglichkeiten zu öffnen.
Darüber hinaus ist Vergebung nicht nur für die Person, die vergibt, von Vorteil, sondern auch für die Person, der vergeben wird. Wenn jemandem vergeben wird, kann sie oder er ein Gefühl der Erleichterung verspüren und eher bereit sein, Verantwortung für ihr oder sein Handeln zu übernehmen und Wiedergutmachung zu leisten.
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass Vergebung als ein Schlüsselaspekt der Liebe angesehen wird, weil sie es den Menschen ermöglicht, vergangene Verletzungen und Ressentiments loszulassen, die emotionale Heilung fördert und es den Menschen ermöglicht, sich von vergangenen Traumata zu lösen und sich neuen Möglichkeiten zu öffnen. Sie ist sowohl für denjenigen, der vergibt, als auch für denjenigen, dem vergeben wird, von Vorteil und führt zu stärkeren, positiveren und liebevolleren Beziehungen.
»O Gott, mein Gott! So habe denn Erbarmen mit meiner Hilflosigkeit, meiner Armut, meiner Not, meiner Erniedrigung! Gib mir zu trinken aus dem vollen Kelch Deiner Gnade und Vergebung, erwecke mich mit den süßen Düften Deiner Liebe, weite mir die Brust mit dem Lichte Deiner Erkenntnis, läutere meine Seele mit den Mysterien Deiner Einheit, rufe mich zum Leben mit der sanften Brise aus dem Garten Deiner Barmherzigkeit – bis ich mich löse von allem außer Dir, mich festhalte am Saum des Gewandes Deiner Erhabenheit, bis ich alles, was Du nicht bist, vergesse, ganz umgeben von dem süßen Odem, der Deine Tage durchweht, bis ich Treue erwerbe an der Schwelle Deiner Heiligkeit, bis ich mich erhebe, Deiner Sache zu dienen, bescheiden vor Deinen Geliebten und in der Gegenwart Deiner Begünstigten ein völliges Nichts.«
(‘Abdu’l-Bahá, 'Briefe und Botschaften')
Aber wie steht es mit der Vergebung nach ungeheuerlichen Taten? Die Geschichte eines persischen Adligen, der seinem fast 60 Jahre währenden Verfolger vergab. Als ‘Abdu’l-Bahá neun Jahre alt war, sah er, wie sein Vater in Ketten öffentlich durch die Straßen von Teheran, Iran, zum Kerker geführt wurde, der als "Schwarzes Loch" bekannt war. Sein Vater, Bahá’u’lláh, war der Begründer des Bahá’í-Glaubens, und sein einziges Verbrechen bestand darin, diesen neuen Glauben verkündet zu haben. Dies geschah 1853.
Viele Jahre lang waren ‘Abdu’l-Bahá, seine Familie und seine Freunde anschließend der Gewalt des Mobs ausgesetzt, wurden schikaniert und inhaftiert. Tausende von Bahá’í-Gläubigen wurden getötet. ‘Abdu’l-Bahás Familie wurde in den Irak, die Türkei und schließlich in ein Gefängnis in ‘Akká/Israel verbannt. All diese Torturen wurden vom Schah des Iran und seinem Sohn Mass'oud Mirza Zell-e Soltan gebilligt.
Mit Ende 60 wurde ‘Abdu’l-Bahá endlich aus dem Gefängnis entlassen. Sofort begab er sich auf eine dreijährige Reise, um die Lehren seines Vaters in Europa und Amerika zu verbreiten. Seine erste Station war die Schweiz, wo er zufällig Mass'oud traf.
Als Mass'oud erkannte, wer ‘Abdu’l-Bahá war, begann er zu stottern und sich für seine Taten zu entschuldigen. Aber ‘Abdu’l-Bahá umarmte Mass'oud und sagte ihm, er solle nie wieder an solche Dinge denken. Er lud Mass'oud ein, Zeit mit ihm zu verbringen, und sie aßen zusammen zu Mittag.
'Abdu'l-Bahá hegte keinen Groll gegen seinen Verfolger. Er bat nicht um Entschuldigung. Er versuchte nicht, Mass'oud all das Leid verständlich zu machen, das er verursacht hatte. 'Abdu'l-Bahá wollte sogar Zeit mit Mass'oud verbringen.
Uns ist verheißen, dass Gott »der Immervergebende ist, dem Reue geschuldet wird, der selbst die schwersten Sünden vergibt.«
(‘Abdu’l-Bahá, 'Briefe und Botschaften')
Groll vergrößert nur die Probleme. Er schafft einen schweren, dunklen Platz im Herzen. Er nimmt einen Platz ein, der für Glück und Liebe bestimmt ist. Wie Martin Luther King Jr. sagte: "Wer nicht die Kraft hat zu vergeben, hat auch nicht die Kraft zu lieben".
»O Gott, mein Gott! Deine Vergebung hat mich ermutigt, Dein Erbarmen hat mir Kraft gegeben, Dein Ruf hat mich erweckt und Deine Gnade mich erhoben und hingeführt zu Dir.«
(Bahá’u’lláh, 'Gebete')
Es ist sehr unangenehm, sich einzugestehen, dass wir Momente haben, in denen wir weit davon entfernt sind, perfekt zu sein. Kurz gesagt, jeder Mensch macht Fehler und jeder Mensch ist unvollkommen. Nach den Grundsätzen des Bahá'í-Glaubens verstehen wir unter Sünde, wenn jemand das tugendhafte Verhalten, zu dem Gott uns als von Natur aus edles menschliches Wesen zu streben aufruft, nicht erreicht.
Wir können allmählich über unsere Reaktionen auf Worte wie "Sünde" und ihr Linderungsmittel "Vergebung" nachdenken. Dabei entdecken wir vielleicht, wie sehr wir dem Wohlfühlmythos aus Selbsthilfebüchern glauben, dass die beste Maßnahme für unser Wohlbefinden darin besteht, uns selbst zu vergeben. Jetzt erforschen wir, was wirklich von uns verlangt wird, und das scheint sich auf die Vergebung von Gott und nicht von uns selbst zu konzentrieren. Bahá'u'lláh sagt:
»Wenn sich der Sünder völlig gelöst und befreit von allem außer Gott weiß, sollte er Ihn um Vergebung und Verzeihung bitten. … Allein mit Gott, sollte der Sünder um Erbarmen aus dem Meer des Erbarmens, um Vergebung aus dem Himmel der Großmut flehen …«
(Bahá’u’lláh, 'Botschaften aus ‘Akká')
Wir können uns fragen, ob unsere Offenheit, unsere Demut und unser Vertrauen, Gottes Gnade, Barmherzigkeit und Vergebung zu empfangen, nicht Teil dessen ist, was uns frei macht, vorwärts zu gehen. Wenn wir seine Vergebung verinnerlichen, anstatt uns ihr zu widersetzen, wird es möglich, uns selbst zur Rechenschaft zu ziehen und Wiedergutmachung zu leisten. Gleichzeitig können wir den Schmerz und die Scham, die mit dem Geschehenen verbunden sind, mitfühlend loslassen. Unser Verstand, unser Herz und unsere Seele können sich emotional und psychologisch von dem lösen, was wir getan haben und was nicht im Einklang mit Gottes Lehren steht. Wir brauchen uns nicht zu quälen, zu kritisieren oder zu verurteilen.
Wenn wir Gottes Vergebung in uns eindringen lassen, hilft uns das, Gott näher zu kommen. Es ist, als könnten wir ihm wieder in die Augen sehen und sagen: "Ja, ich habe Mist gebaut, und ich danke Dir, dass Du mir vergeben hast. Ich liebe Dich und ich liebe und respektiere mich selbst - meine höhere und meine niedere Natur - also bitte hilf mir, das zu bereinigen und loszulassen." Wir können Ihn darum bitten:
»Ich bitte Dich bei Ihm, dem unumschränkten Herrn der Namen, schreibe nieder für mich mit der Feder Deiner Großmut, was mich befähigt, Dir nahezukommen, und was mich reinigt von meinen Vergehen, die zwischen mich und Deine Vergebung und Verzeihung getreten sind.
(Bahá’u’lláh, 'Botschaften aus ‘Akká')
Wenn wir wirklich annehmen und verinnerlichen, dass Gott uns vergeben hat, schaffen wir einen Raum, in dem wir lernen und unseren Charakter und unser Handeln verändern können:
»Dein freigebiger Herr wird dir bei der Arbeit in Seinem Weinberg beistehen und dich zum Werkzeug machen, den Geist der Einheit unter Seinen Dienerinnen zu verbreiten. Er wird dein inneres Auge sehend machen mit dem Licht der Erkenntnis, deine Sünden vergeben und sie in gute Taten wandeln. Wahrlich, Er ist der Vergebende, der Mitleidige, der Herr unermesslicher Gnade.«
(‘Abdu’l-Bahá, 'Briefe und Botschaften')
Sofortige Vergebung wird oft als etwas angesehen, das nur den Heiligen vorbehalten ist. Es gibt jedoch ein Gefühl dafür, dass unsere Fähigkeit, schnell zu vergeben, eng mit unserem Engagement für die Einheit mit anderen und unserer zunehmenden Vermeidung von Uneinigkeit zusammenhängt.
Bahá’u’lláhs Anleitung, dass unser liebender Gott die Tür öffnet, damit seine Liebe uns erreichen kann:
»Liebe Mich, damit Ich dich liebe. Wenn du Mich nicht liebst, kann Meine Liebe dich niemals erreichen. Erkenne dies, o Diener!«
(Bahá’u’lláh, 'Verborgene Worte')
Könnte es sein, dass Vergebung auf die gleiche Weise funktioniert? Wenn wir, wie Bahá’u’lláh äußerte, »demütig an Seinem Tor zu stehen«, Gott lieben und Ihn um Vergebung bitten, und wenn wir glauben, dass sie uns aus freien Stücken gegeben wurde, können wir diese Vergebung tief in unserem Herzen und unserer Seele annehmen und ein Leben führen, das Ihn und seine Lehren ehrt.
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