Mit dem Hinscheiden Bahá'u'lláhs war die Offenbarung der Verse Gottes beendet, der Gnadenstrom geistiger Energien versiegt, und wird nicht vor Ablauf eines vollen Jahrtausends wieder erscheinen. Die Wahrheit dieser von Ihm in Baghdád offenbarten Worte wurde nach Seinem Hinscheiden in ihrem ganzen Umfang erfasst:
»O Sohn des Geistes!
Es kommt die Zeit, da die Nachtigall der Heiligkeit die inneren Geheimnisse nicht mehr enthüllt und ihr der himmlischen Weise und der göttlichen Stimme beraubt sein werdet.«
(Bahá’u’lláh, 'Verborgene Worte')
Der Aufstieg Bahá'u'lláhs am 29. Mai 1892 beendete den Strom dieser höchst bedeutsamen, alle Erfahrung überschreitenden Offenbarung, die alle Offenbarungen der Vergangenheit ergänzt. Fast vierzig Jahre lang war die Erde gewissermaßen zum `Schemel` ihres Gottes gemacht, sie war "auserwählt zum Sitz Seines mächtigen Thrones". Der Tag Gottes, dessen Kommen "alle Propheten, Auserwählten und Heiligen sich gesehnt haben, zu erleben" war angebrochen. Der "Ewige Vater", der "mächtige Gott", der in menschlicher Gestalt erscheinen sollte, so wie es von Jesajas und anderen Propheten vorhergesagt worden war, hatte Sich Selbst offenbart. "Die Offenbarung dieses erhabensten, dieses heiligsten Tages" erklärte Bahá'u'lláh als "die der ganzen Schöpfung zugrundeliegende Absicht" - sie war nun erfüllt.
Bahá'u'lláh, der wegen seiner fortschrittlichen Lehren wiederholt verfolgt, vertrieben, ins Gefängnis geworfen und gefoltert wurde, starb nach über 40-jähriger Verbannung, im Alter von 74 Jahren. 1817 geboren, erklärte Er sich 1863 als Prophet und Stifter des Bahá'í-Glaubens und verbrachte aufgrund dieser Lehren den Rest seines Lebens in Exil und Gefangenschaft.
Es war am frühen Morgen des 29. Mai 1892 (fünf Minuten nach 3, um genau zu sein), als Bahá’u’lláh nach kurzer Krankheit im Herrenhaus von Bahjí, außerhalb von ‘Akká (im heutigen Nordisrael) verstarb. Nach Seinem Tod trauerte eine große Anzahl von Menschen aus allen Gesellschaftsschichten und Religionen mit Bahá’u’lláhs Familie und Anhängern.
Der Jahrestag des Hinscheidens Bahá’u’lláhs, des Trägers der allumfassenden Offenbarung Gottes, deren Bestimmung es ist, die Menschheit zu ihrer kollektiven Mündigkeit zu führen, verstarb am 13. Azamat nach dem Bahá'í-Kalender. Gewöhnlich (obwohl dies nicht vorgeschrieben ist) stehen die Bahá'í um 3 Uhr morgens, nach einem Abend des Gebets und der Besinnung, auf und schauen zur Qiblah, während einer aus ihrer Mitte das Besuchsgebet liest.
Die Bahá'í begannen nun den 29. Mai als heiligen Tag zu begehen, mit Gebeten und meditativer Betrachtung über Bahá'u'lláhs unglaublich schwierigem, aber enorm inspirierendem und einflussreichem Leben.
Bahá'u'lláh lebte ein Leben voller Entbehrungen und Verfolgung und brachte der Welt Lehren, die ein neues Zeitalter der Menschheit einleiten und die Grundlagen einer neuen Zivilisation bilden sollten.
»Die Altehrwürdige Schönheit hat eingewilligt, in Ketten gelegt zu werden, damit die Menschheit aus ihrer Knechtschaft erlöst werde, und hat es hingenommen, zum Gefangenen in dieser mächtigsten Festung zu werden, damit die ganze Welt wahre Freiheit gewinne. Er hat den Kelch des Leidens bis zur Neige geleert, damit alle Völker der Welt immerwährende Freude gewinnen und von Fröhlichkeit erfüllt werden. Dies gehört zur Barmherzigkeit eures Herrn, des Mitleidvollen, des Barmherzigsten. Wir nehmen es hin, erniedrigt zu werden, o ihr, die ihr an die Einheit Gottes glaubt, damit ihr erhoben werdet, und dulden mannigfache Leiden, damit ihr blühet und gedeihet.«
»Seht, wie jene, die Gott Gefährten zugesellt haben, Ihn, der gekommen ist, die ganze Welt neu zu bauen, gezwungen haben, in der trostlosesten aller Städte zu wohnen!«
(Bahá’u’lláh, 'Ährenlese aus den Schriften Bahá’u’lláhs')
Kann man sich vorzustellen, wie es für die frühen Anhänger gewesen sein muss, welche das Hinscheiden von Bahá'u'lláh mit erlebt haben.
Wie muss es gewesen sein, in der Zeit von Bahá'u'lláh gelebt zu haben? Wie muss es gewesen sein, in der Nähe von Bahá'u'lláh zu wandeln und mit Ihm zu sprechen und ein früher Gläubiger gewesen zu sein? Wie hätte es sich angefühlt, Zeuge des Vorübergehens einer Manifestation gewesen zu sein?
Haben die frühen Gläubigen die Bedeutung verstanden, die Bahá'u'lláhs Lehren für die Menschheit haben würden? Und in diesem Zusammenhang: Verstehen wir - als relativ frühe Gläubige - wirklich die Bedeutung, die Bahá'u'lláhs Lehren über die Einheit für die Welt haben werden, in der unsere Enkel und Urenkel leben werden?
»Die Kraft, durch die diese Ziele nach und nach verwirklicht werden, ist die Einheit. Obwohl die Einheit für die Bahá’í die offensichtlichste aller Wahrheiten ist, scheint den meisten zeitgenössischen Debatten ihre Bedeutung für die gegenwärtige Krise der Zivilisation zu entgehen. Wenige werden der Auffassung widersprechen, dass Uneinigkeit die Krankheit ist, die die Gesundheit der gesamten Menschheit auslaugt. Überall schwächt sie den politischen Willen, entkräftet den gemeinsamen Wunsch zur Veränderung und vergiftet nationale und religiöse Beziehungen. Zwar wird Einheit als ein erstrebenswertes Ziel erkannt, das aber, wenn überhaupt, erst in ferner Zukunft, nach der Bewältigung einer Vielzahl von Problemen sozialer, politischer, ökonomischer und moralischer Art realisiert werden könnte. Doch diese vielfältigen Probleme sind nur Symptome und Nebenwirkungen, nicht die zugrunde liegende Ursache.«
»Wie kommt es, dass eine so fundamentale Umkehrung von Ursache und Wirkung allgemein akzeptiert wird? Vermutlich deshalb, weil man denkt, es sei jenseits aller Möglichkeiten der derzeitigen gesellschaftlichen Institutionen, eine echte Einheit mit Herz und Verstand zwischen den Menschen zu erreichen, da deren Erfahrungen derart unterschiedlich geprägt sind. Einerseits stellt dieses stillschweigende Zugeständnis einen begrüßenswerten Fortschritt dar, im Vergleich dazu, wie man noch wenige Dekaden zuvor den Prozess sozialer Entwicklung verstand. Auf der anderen Seite bietet es kaum praktische Hilfe für den Umgang mit dieser Herausforderung.«
(Botschaft des Universalen Hauses der Gerechtigkeit, 'Ein gemeinsamer Glaube')
Eine der treffendsten Beschreibungen in Bezug auf das Hinscheiden Bahá'u'lláhs wurde von Shoghi Effendi, dem Urenkel Bahá'u'lláhs, im Buch 'Gott geht vorüber' formuliert:
»Wie ‘Abdu’l-Bahá bestätigt, hatte Bahá’u’lláh schon neun Monate vor Seinem Hinscheiden den Wunsch geäußert, diese Welt zu verlassen. Von da an wurde aus dem Ton Seiner Bemerkungen gegenüber denen, die zu Ihm kamen, immer deutlicher, dass das Ende Seines irdischen Lebens nahte, obwohl Er zu niemandem offen darüber sprach. In der Nacht vor dem elften Shavvál 1309 d. H. (8. Mai 1892) bekam Er leichtes Fieber, das tags darauf etwas anstieg, dann wieder abklang. Er führte auch weiterhin Gespräche mit einigen Freunden und Pilgern, aber bald war klar, dass Er sich nicht wohl fühlte. Erneut trat Fieber auf, heftiger als zuvor, Sein Allgemeinzustand verschlechterte sich zusehends, dann traten Komplikationen auf, die am 2. Dhi’l-Qa‘dih 1309 d. H. (29. Mai 1892) um die Morgendämmerung, acht Stunden nach Sonnenuntergang, im 75. Jahr Seines Lebens, zu Seinem Hinscheiden führten. Nun hatte Sein Geist, der endlich von den Mühen eines Lebens voller Drangsal erlöst war, seinen Flug in Seine »anderen Reiche« genommen, in Reiche, »auf die nie der Blick des Volkes der Namen fiel« und wohin die »strahlende, weiß gewandete Jungfrau« Ihn eilen hieß, wie Er es neunzehn Jahre zuvor beschrieben hatte im Lawḥ-i-Ru’yá (Tafel von der Schau), das Er zum Gedenktag der Geburt Seines Wegbereiters offenbart hatte.«
»Sechs Tage vor seinem Tod, im Bett gestützt von einem Seiner Söhne, rief er die Schar der Gläubigen in Seine Gegenwart, darunter einige Pilger, die sich im Landhaus versammelt hatten. Das sollte sich als ihre letzte Audienz bei Ihm erweisen. »Ich bin sehr zufrieden mit euch allen«, sprach Er gütig und liebevoll zu der weinenden Menge, die sich bei Ihm versammelt hatte. »Ihr habt viele Dienste geleistet und wart sehr gewissenhaft in eurer Arbeit. Jeden Morgen und jeden Abend seid ihr hierhergekommen. Gott stehe euch bei, dass ihr einig bleibt. Möge Er euch helfen, die Sache des Herrn des Seins zu erhöhen.« An die Frauen, die sich an Seinem Bett versammelt hatten, unter ihnen die Mitglieder Seiner Familie, richtete Er ähnlich ermutigende Worte und versicherte ihnen ausdrücklich, dass Er sie alle in einem Dokument, das Er dem Größten Zweig anvertraut habe, Dessen Fürsorge empfehle.«
»Die Nachricht von Seinem Hinscheiden wurde sofort Sulṭán ‘Abdu’l-Ḥamíd übermittelt in einem Telegramm, das mit den Worten begann: »Die Sonne Bahás ist untergegangen«, und das dem Herrscher die Absicht mitteilte, die heiligen sterblichen Überreste im Bereich des Landhauses beizusetzen, wozu er bereitwillig seine Zustimmung gab. So wurde Bahá’u’lláh im nördlichsten Zimmer des Hauses, das Seinem Schwiegersohn als Wohnung diente, zur letzten Ruhe gelegt; es war das nördlichste von drei Häusern, die sich im Westen an das Landhaus anschlossen. Die Beisetzung fand noch am Tag Seines Hinscheidens kurz nach Sonnenuntergang statt.«
Bahá'u'lláhs Grab befindet sich in einem Schrein in den Gärten von Bahjí und ist das Ziel von Pilgerreisenden aus der ganzen Welt.
»Der untröstliche Nabíl, der während der Krankheit Bahá’u’lláhs das Vorrecht einer privaten Audienz hatte, der von ‘Abdu’l-Bahá dazu bestimmt worden war, die Textstellen für das Besuchsgebet auszuwählen, das jetzt am heiligsten Grab gesprochen wird, der sich kurz nach dem Hinscheiden seines Geliebten in seinem unerträglichen Kummer ins Meer stürzte und ertrank, beschreibt die Seelenpein dieser Tage so: "Mir scheint, die geistige Erregung, die in der Welt des Staubes ausgelöst wurde, ließ alle Welten Gottes erzittern. … Meine innere und äußere Zunge sind außerstande, die Verfassung wiederzugeben, in der wir uns befanden. … Inmitten der überall herrschenden Verwirrung sah man, wie sich viele Bewohner ‘Akkás und der umliegenden Dörfer auf den Feldern rings um das Landhaus drängten. Sie weinten, schlugen sich gegen den Kopf und schrien laut vor Jammer."«
»Eine ganze Woche lang verweilte eine große Zahl von Trauergästen, Reiche und Arme, bei Tag und Nacht, bei der Familie der Hinterbliebenen, nahm Teil an der Trauer und an dem großzügig von der Familie gespendeten Mahl. Würdenträger der Shí‘iten, Sunníten, Christen, Juden und Drusen, ferner Dichter, ‘Ulamá und Regierungsbeamte, sie alle vereinigten sich in der Klage um den Verlust, im Lobpreis der Tugenden und der Größe Bahá’u’lláhs und viele von ihnen bezeugten Ihm ihre Verehrung auch schriftlich in Poesie und Prosa, in arabischer und in türkischer Sprache. Selbst aus so fernen Städten wie Damaskus, Aleppo, Beirut und Kairo trafen ähnliche Beiträge ein. All diese glühenden Zeugnisse wurden ausnahmslos ‘Abdu’l-Bahá vorgelegt, der nun die Sache des verstorbenen Oberhaupts vertrat und Dessen Lob oft in die Seinem Vater erwiesenen Huldigungen eingeflochten war.«
Siehe auch:
Die Sonne Bahá's ist untergegangen
Sieben Beweise für Bahá'u'lláhs Mission
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