Theodizee Frage - Die Liebe zum Menschen und die Liebe zu Gott

Die Liebe zum Menschen und die Liebe zu Gott

Einige Gedanken und Absätze sind aus der Schrift Bahá’í-Erziehung in Theorie und Praxis von Zabihollah Naghashian.

Für die Bahá'í sind alle Menschen liebenswürdige Zeichen Gottes. Aufgrund der Annahme, dass es nur einen sogenannten himmlischen und hocherhabenen Vater gibt und Er jeden mit seiner unermesslichen Liebe versorgt, sollten die Bahá'í dazu veranlasst sein, jeden Menschen hochzuschätzen. Hier wird sofort die Frage nach dem Problem der Theodizee aufgeworfen. Warum gibt es so viel Leid auf der Welt, wenn Gott jeden Menschen gleichermaßen liebt oder gar schützt?

Bahá’u’lláh hatte diese Schöpfung von einem bestimmten Blickwinkel aus für geordnet und vollkommen beschrieben:

»Betrachtet die Welt wie einen menschlichen Körper, der bei seiner Erschaffung gesund und vollkommen war, jedoch aus verschiedenen Ursachen von schweren Störungen und Krankheiten befallen wurde.«

(Bahá’u’lláh, 'Ährenlese aus den Schriften Bahá’u’lláhs')

Heilung durch den göttlichen Arzt

Er schrieb, dass diese Welt wie der Körper eines Menschen ist, der gesund und vollkommen geschaffen wurde. Weil der Körper in den Händen unerfahrener und unwissender Ärzte liegt, entstehen seine Krankheiten und Fehlentwicklungen. Diese Krankheiten können nur durch den göttlichen Arzt, den aktuellen Gottesoffenbarer geheilt werden. Eine starke und heilende Medizin für seine Schwächen und Anfälle ist die Einheit aller Menschen in einem gemeinsamen Glauben:

»Die wirksamste Arznei, das mächtigste Mittel, das der Herr für die Heilung der Welt verfügt hat, ist die Vereinigung aller Völker in einer allumfassenden Sache, in einem gemeinsamen Glauben. Nur ein allmächtiger, erleuchteter Arzt hat die Fähigkeit, diese Einheit zu stiften.«

(Bahá’u’lláh, 'Ährenlese aus den Schriften Bahá’u’lláhs')

Die Welt heißt in einer Stelle "die Welt der Möglichkeiten". Das könnte so verstanden werden, dass alle vorstellbaren und nicht vorstellbaren Möglichkeiten Realität werden könnten, gleich gültig wie negativ oder positiv diese sind. Das Negative entsteht, wenn sich die Menschen von ihrer eigentlichen Natur entfremden. Aber durch das wirkliche Menschwerden wird die Entstehung der negativen Möglichkeiten vermieden. Dadurch können unerwartete und unvorstellbar schöne Situationen wahr werden. Sie sind die eigentlichen und realen Wunder, wie z. B. der Weltfrieden.

»…der Mensch ist das höchste Glied dieser Welt, und sicherlich wäre ihr Körper unvollkommen, wenn das Hauptglied fehlte. Den Menschen betrachten wir als das größte Glied, weil er unter den Geschöpfen der Inbegriff aller bestehenden Vollkommenheiten ist.«

(‘Abdu’l-Bahá, 'Beantwortete Fragen')

Verantwortlich für die Missstände sind die Menschen

Hier werden nicht Satan oder eine andere mythische Kraft für die Missstände verantwortlich gemacht, sondern die Menschen selbst und an deren Spitze die verantwortlichen Machthaber. Der Ausweg aus der Misere ist damit die Bewusstseinsänderung der Menschen anhand der göttlichen Lehre. Gott spielt hier einerseits die Rolle des Wegweisers, andererseits als der Bestätigter, Helfer und Führer der Menschen, die sich den Manifestationen Gottes zuwenden.

»Wir wurden bevollmächtigt, die noch größere Aufgabe zu erfüllen, satanische Stärke in himmlische Macht zu verwandeln. Die Kraft zu einer solchen Umwandlung übertrifft die Wirksamkeit des Lebenselixiers. Das Wort Gottes allein kann für sich in Anspruch nehmen, zu einer so großen, so weitreichenden Wandlung fähig zu sein.«

(Bahá’u’lláh, 'Ährenlese aus den Schriften Bahá’u’lláhs')

Doch was ist mit den Menschen, die in diese Misere hineingeboren werden? - Eine Antwort auf diese Frage lautet, dass diese Welt trotz der o. g. Vollkommenheit hinsichtlich der Harmonie und der gesellschaftlichen Weltordnung unzulänglich und im Ungleichgewicht ist.

»Zeitweilig auftretende Unausgewogenheiten im Fortschritt verschiedener Aktivitäten liegen in der Natur des Prozesses; sie können mit der Zeit ausgeglichen werden, wenn man damit geduldig umgeht.«

(Botschaft des Universalen Hauses der Gerechtigkeit', 28. Dezember 2010')

Um diese Unzulänglichkeiten zu kompensieren, muss sich die Menschheit durch die Erkenntnis Gottes und die Liebe zu ihm von den niedrigen Ebenen dieser Welt erheben und sich die göttlichen Ratschläge zu Eigen machen. Die Einzelnen haben auch die Möglichkeit, sich geistig so zu stärken, dass für sie das Leid und die Schwierigkeiten zur Ursache des geistigen Wachstums werden können.

Weiterhin wird gesagt, dass diese Welt auf die Menschenherzen große Anziehungskraft ausübt und dadurch zur Vernachlässigung ihrer höheren Bestimmung führen kann. Durch Leid werden Menschen wieder auf ihre natürliche Abhängigkeit von Gott aufmerksam gemacht, um so zu ihrem wahren Glück zurückzukommen. Dieses wahre Glück ist im Wesentlichen nichts anderes als die geistige Entzückung und die Nähe Gottes.

»Dieses Glück der Menschen besteht ausschließlich darin, der Schwelle Gottes, des Allmächtigen, näher zu kommen und den Frieden und die Wohlfahrt jedes einzelnen Angehörigen des Menschengeschlechts, sei er hoch oder niedrig, zu sichern; und die besten Mittel, dieses zweifache Ziel zu erreichen, sind hervorragende, der Menschheit verliehene Tugenden.«

(‘Abdu’l-Bahá, 'Das Geheimnis göttlicher Kultur')

»O Menschen! Steht es euch an, euch auf Ihn, den Gott der Barmherzigkeit, zu berufen, und doch Dinge zu tun, wie Satan sie tut? Nein, bei der Schönheit des Allherrlichen! Könntet ihr es doch begreifen! Reinigt euer Herz von der Liebe zur Welt, eure Zunge von Verleumdung, eure Glieder von allem, was euch abhält, in die Nähe Gottes, des Mächtigen, des Allgepriesenen, zu gelangen. Sprich: Mit ›Welt‹ ist gemeint, was euch vom Morgen der Offenbarung abhält und euch dem geneigt macht, was euch nichts nützt. Fürwahr, alles, was euch an diesem Tag von Gott fernhält, ist in Wahrheit die ›Welt‹. Flieht sie, und nähert euch der Erhabensten Schau, diesem leuchtenden und strahlenden Thron. Selig, wer nicht zulässt, dass etwas zwischen ihn und seinen Herrn tritt. Er wird gewiss keinen Schaden leiden, wenn er nach Recht und Gesetz an den Gaben der Welt teilhat. Denn alles haben wir für jene Unserer Diener erschaffen, die wahrhaft an Gott glauben.«

(Bahá’u’lláh, 'Anspruch und Verkündigung')

Es sei hier ergänzend bemerkt, dass in den Bahá‘í-Schriften erklärt ist, dass der Satan lediglich ein Symbol und kein vom Menschen unabhängiges Wesen ist!

Die göttliche Kompensation

Die Theodizee-Frage, wonach anscheinend Gott die Missstände zulässt und viele Menschen unschuldig darunter leiden lässt, kann zu weit führen. Hier können mindestens zwei Denkanstöße eingebracht werden. Als Erstes wird sich das ganze Sein aus religiösem Blickwinkel nicht nur auf diese Welt beschränken. Es wird von unzähligen Welten Gottes gesprochen. So gibt es die Möglichkeit der gerechten, göttlichen Kompensation. Gäbe es diese Kompensationsmöglichkeit nicht, würden hinsichtlich der Gerechtigkeit nicht nur bei den Religionen, sondern auch bei atheistischen Weltanschauungen viele Widersprüche auftauchen. Zweitens wäre für die Katastrophen und unangenehmen Ereignisse, woran der Einzelne keine Eigenschuld hat, eventuell die ganze Menschheit verantwortlich. Dies deutet auf das gemeinsame Schicksal der Einwohner des Planeten Erde hin. Die Konsequenzen werden entsprechend auch alle betreffen, bis wirklich zielorientierte Lösungen zum Nutzen der gesamten Menschheitsfamilie gefunden und eingeführt sind.

»Der Geist, der des Menschen Herz belebt, ist die Erkenntnis Gottes, und sein wahrer Schmuck ist die Anerkennung der Wahrheit, dass "Er tut, was Er will, und verordnet, was Ihm gefällt." Sein Gewand ist die Gottesfurcht und seine Vollkommenheit die Standhaftigkeit in Seinem Glauben. So unterweist Gott jeden, der Ihn sucht. Er, wahrlich, liebt den, der sich Ihm zuwendet. Es ist kein Gott außer Ihm, dem Vergebenden, dem Großmütigsten. Aller Lobpreis sei Gott, dem Herrn aller Welten.«

(Bahá’u’lláh, 'Ährenlese aus den Schriften Bahá’u’lláhs')

»Und Ehre und Würde des Einzelnen liegen darin, dass er inmitten aller Völker zu einer Quelle gesellschaftlichen Wohles wird. Gibt es eine größere Gnade als die, dass ein Mensch, wenn er in sich geht, feststellen darf, dass er, durch göttliche Gnade bestätigt, die Ursache für Frieden und Wohlergehen, Glück und Nutzen unter seinen Mitmenschen wurde? Nein, bei dem einen wahren Gott! Es gibt keine größere Freude, kein vollkommeneres Glück.«

(‘Abdu’l-Bahá, 'Das Geheimnis göttlicher Kultur')

Und in diesem Zusammenhang äußerte seine Heiligkeit Bahá’u’lláh, es gehe Ihm also nicht darum irgendetwas von Menschen wegzunehmen, sondern nur die Herzen der Menschen in Besitz zu nehmen, betonte Er: "Alle Dinge habe Ich für dich gewollt, und auch dich um deiner selbst Willen."

Die Bahá'í sind nicht erschaffen, um nur Gesetze zu befolgen, um Gesetzes-hörig zu sein, sondern diese Gesetze sind ein Werkzeug für die Zweckentfaltung des Menschen, die darin liegt, Gott ähnlicher zu werden, diese göttliche Vollkommenheit in der eigenen Wirklichkeit zum Ausdruck zu bringen.

»Zu Beginn jeder Offenbarung hat viel Not geherrscht, die später in großes Wohlergehen umgewandelt wurde.« »Sprich: o Volk Gottes! Gebt Acht, dass die irdischen Gewalten euch nicht beunruhigen, die Macht der Völker euch nicht schwach mache, der Lärm streitender Menschen euch nicht erschrecke oder die Inhaber irdischen Ruhmes euch betrüben. Steht fest wie ein Berg in der Sache eures Herrn, des Allmächtigen, des Allherrlichen, des Unbezwungenen.« »Sprich: Hütet euch, o Volk Bahas, damit nicht die Starken der Erde euch eurer Stärke berauben oder die, welche die Welt regieren, euch mit Furcht erfüllen. Setzt euer Vertrauen auf Gott und übergebt eure Angelegenheiten Seiner Obhut. Er wird euch wahrlich durch die Kraft der Wahrheit siegreich machen. Er wahrlich ist mächtig zu tun, was Er will, und in Seinem Griff liegen die Zügel der allgewaltigen Macht.« »Ich schwöre bei Meinem Leben! Meine Geliebten kann nur das befallen, was ihnen von Vorteil ist. Dies bezeugt die Feder Gottes, des Mächtigsten, des Allherrlichen, des Meistgeliebten.« »Lasst nicht die Geschehnisse der Welt euch betrüben. Ich schwöre bei Gott! Das Meer der Freude sehnt sich danach, in eure Gegenwart zu gelangen, denn alles Gute wurde für euch erschaffen und wird euch den Notwendigkeiten der Zeiten entsprechend offenbart werden.« »O Meine Diener! Sorgt euch nicht, wenn in diesen Tagen und auf diesem irdischen Planeten Dinge gegen euer Wünschen von Gott verordnet und kundgetan wurden, denn Tage seliger Freude und himmlischen Entzückens erwarten euch. Heilige und geistig herrliche Welten werden eure Augen erblicken. Ihr seid von Ihm in dieser Welt und im künftigen Leben ausersehen, ihre Wohltaten zu genießen, an ihren Freuden teilzuhaben und einen Anteil an ihrer stärkenden Gnade zu erhalten. Ihr werdet zweifellos zu jeder einzelnen von ihnen gelangen.«

(Shoghi Effendi, 'Das Kommen Göttlicher Gerechtigkeit')

 

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