Prophezeiungen in den Bábí-Bahá'í-Schriften

Prophezeiungen in den Bábí-Bahá'í-Schriften, ein Buch Auszug

In einschlägigen Handbüchern fehlt meistens der Hinweis, dass es aus der Bábí-Bahá'í-Religion und ihrer Vorläufer-Bewegung, der Shaykhi-Schule zahlreiche Bezüge auf ältere Prophezeiungen gibt bzw. neue Prophezeiungen zum Ausdruck gebracht worden sind. Eine Zusammenstellung dieser Texte fehlte bisher - zumindest in deutscher Sprache. Wie ich erst kürzlich erfuhr, hat Elias Zohoori im Jahre 2000 in New Delhi eine englisch-sprachige Zusammenstellung besorgt:

„Erelong. Bahá’í Prophecies, Predictions and Promises“ (110 Seiten), die aber völlig unabhängig von der meinigen entstand. Da ich 1995 eine Dissertation über "Merkmale und Wesen von Prophetentum" abgeschlossen hatte, die 1997 veröffentlicht wurde, lag es nahe, die entsprechenden prophetischen Stellen in den Bábí-Bahá'í-Schriften zu notieren und in eine geeignete Reihenfolge zu bringen. Eine Möglichkeit dazu ist die zeitliche Reihenfolge der Äußerung solcher Prophezeiungen, eine andere wäre die inhaltliche Zusammenstellung gewesen, welche jedoch stärkeren persönlichen Einfluss des Bearbeiters aufweisen würde. Eine inhaltliche Gliederung wurde deshalb in einem zweiten Schritt vollzogen, in welchem jeweils folgende Zuordnungen der Texte vorkommen:

Drei Erfüllungsstufen der Texte (Vorschläge des Bearbeiters)

1. Durch die Stiftung(en) der Bábí-Bahá'í-Religion erfüllte Prophezeiungen.

2. Im Verlaufe der Bábí-Bahá'í-Geschichte Erfülltes.

3. Bisher noch nicht Erfülltes.

Fallunterscheidungen

Was aber kennzeichnet eine echte Prophezeiung - außer dass sie irgendwann in Erfüllung gehen muss? Steht sie nicht gerade in dieser Eigenschaft auch neben allgemeinen geistigen Gesetzen oder gar Prognosen? Letztere lassen sich wohl doch einigermaßen abgrenzen:

Ein Mensch mit umfassenden Kenntnissen vermag u. U. den Verlauf einer künftigen Entwicklung - der späteren Wirklichkeit entsprechend - vorher zu sehen und zu sagen. Er ist dabei häufig kein Prophet, sondern vielleicht Wissenschaftler, Techniker, Schriftsteller oder einfach im Leben erfahren. Sein Anspruch ist auch in der Regel: nicht eine Prophezeiung hervor gebracht, sondern einen wahrscheinlichen Verlauf abgeschätzt zu haben. Der Nutzen hiervon mag in einer nun leichteren und gründlicheren Vorbereitung auf die Zukunft gesehen werden, was z. B. unerwünschte Ergebnisse vermeiden helfen kann.

Auch ein geistiges Gesetz zu formulieren mag ähnliche Absichten aufweisen. Wer aber kennt die geistigen Gesetze? - Nur die damit Erfahrenen und diejenigen, welche ihre Informationen aus geistigen Welten beziehen. Hier bereits treten also Propheten auf den Plan, aber auch Psychologen, Pädagogen, Kulturforscher usw. Bei geistigen Gesetzen handelt es sich jedoch nicht um einzigartige Ereignisse, sondern um grundsätzliche Zusammenhänge, die eigentlich jederzeit wiederholt auftreten können.

Echte Prophezeiungen scheinen durch eine gewisse geschichtliche Einzigartigkeit gekennzeichnet zu sein, wenn auch bisweilen in einer einzigen Prophezeiung verschiedene zeitlich oder/und räumlich auseinander liegende Ereignisse zum Ausdruck kommen können, was einem mehrfachen historischen Bezug entspräche – und damit wieder in der Nähe eines geistigen Gesetzes stünde. Solche Aussagen werden nicht nur mit der Autorität des Erfahrenen oder Kenners ausgedrückt, sondern aus derjenigen dessen, welcher in diesem Bereich mehr weiß und erfährt als alle anderen Menschen. Der Prophet ist dazu beauftragt oder berechtigt, dieses Wissen um die Zukunft weiter zu geben bzw. erhält es genau zu diesem Zweck.

Funktionen von Prophezeiungen

Eine dieser aus eingehenden Untersuchungen hervorgegangenen Funktionen ist die gegenseitige Legitimierung von Propheten als echte Gottesboten, welche sich diese Personen auf solche Weise über lange Zeiten und weite Räume hinweg gegenseitig zukommen lassen. Prophezeiungen legitimieren demnach nicht nur einzelne Prophet/inn/en zu deren Lebzeiten, indem das Eintreffen des Verkündeten dessen Wahrheit bezeugt, sondern sind ein in der (Schrift-)Tradition lebendes und einander ergänzendes Band zwischen den Propheten. Ein beträchtlicher Teil der bekannten Prophezeiungen kündigt nämlich das Kommen künftiger Prophetie an, damit die Gläubigen in der Vergangenheit Bezugspunkte für die Zukunft finden können.

Prophezeiungen sollen aber auch offenkundig Einzelne oder Gruppen und Völker, ja selbst die ganze Menschheit ermahnen, warnen, zur Umkehr vom bisherigen Lebensweg aufrufen, Unglück - sofern noch möglich - verhindern helfen, dann aber auch Erklärungen geben, warum Schlimmes geschehen musste - z. B. weil die Warnungen und Ermahnungen nicht beachtet wurden. Die Kenntnis von Prophezeiungen kann auch trösten, indem sie Einsicht in die wirklichen Zusammenhänge gegenwärtiger oder künftiger Missstände fördert – und damit auch eine gewisse Ruhe und Sicherheit im Umgang mit Schwierigkeiten oder Herausforderungen. Der auf Besserung gegenwärtiger Zustände hoffende Mensch kann bei optimistischer Grundstimmung sogar etwas Motivierendes in Prophezeiungen entdecken, das ihn oder sie bewegen mag, problematische Zustände umfassender zu erkennen und an deren Behebung mitzuwirken, selbst wenn die Früchte dieser Bemühungen erst künftigen Generationen zufallen mögen. So betrachtet können Prophezeiungen Egoismus oder Selbstsucht überwinden helfen, den Prozess der Loslösung vom Materiellen fördern und damit als Medium von Entwicklung, Bescheidenheit und Tugend wirken.

Die volle Textsammlung, Prophezeiungen in den Bábí-Bahá`i-Schriften, kann hier heruntergeladen werden.

Hier ein kleiner Auszug aus der Zusammenstellung.

Abdu'l-Bahá, Beantworte Fragen, Kap. 12: ERLÄUTERUNGEN ZUM 11. KAPITEL DES BUCHES JESAJA (I/II/III)

In Jesaja 11, Vers 1-9, steht geschrieben:

»Und es wird eine Rute aufgehen von dem Stamm Isais und ein Zweig aus seiner Wurzel Frucht bringen, auf welchem wird ruhen der Geist des Herrn, der Geist der Weisheit und des Verstandes, der Geist des Rates und der Stärke, der Geist der Erkenntnis und der Furcht des Herrn. Und Wohlgeruch wird ihm sein die Furcht des Herrn. Er wird nicht richten, nach dem seine Augen sehen, noch Urteil sprechen, nach dem seine Ohren hören, sondern wird mit Gerechtigkeit richten die Armen und rechtes Urteil sprechen den Elenden im Lande und wird mit dem Stabe seines Mundes die Erde schlagen und mit dem Odem seiner Lippen den Gottlosen töten. Gerechtigkeit wird der Gurt seiner Lenden sein und der Glaube der Gurt seiner Hüften. Die Wölfe werden bei den Lämmern wohnen und die Parder bei den Böcken liegen. Ein kleiner Knabe wird Kälber und junge Löwen und Mastvieh miteinander treiben. Kühe und Bären werden auf der Weide gehen, dass ihre Jungen beieinander liegen; und Löwen werden Stroh essen wie die Ochsen. Und ein Säugling wird seine Lust haben am Loch der Otter, und ein Entwöhnter wird seine Hand stecken in die Höhle des Basilisken. Man wird nirgend Schaden tun noch verderben auf meinem ganzen heiligen Berge; denn das Land ist voll Erkenntnis des Herrn, wie Wasser das Meer bedeckt.«

Die Rute aus dem Stamm Isais scheint Christus zu meinen, denn Joseph war aus dem Geschlecht Isais, des Vaters von David. Aber da Christus durch den Heiligen Geist geboren war, nannte Er Sich Selbst Sohn Gottes. Wäre dies nicht so gewesen, so könnten diese Äußerungen auf ihn zutreffen. Darüber hinaus aber sind einige der Ereignisse, von denen der Prophet sagte, dass sie zur Zeit dieses Sprosses geschehen werden, eingetroffen, wenn sie als Gleichnis genommen werden, aber nicht alle; werden sie dagegen nicht symbolisch genommen, so wurde keines dieser Zeichen zur Zeit Christi erfüllt. Zum Beispiel sind der Leopard und das Lamm, der Löwe und das Kalb, die Otter und der Säugling Bilder und Gleichnisse für die verschiedenen Nationen und Völker, sich bekämpfende Sekten und feindliche Rassen, die in ihrer Gegnerschaft und Feindschaft wie Wolf und Lamm sind. Wir sagen, dass sie durch den Odem des Geistes Christi den Geist der Eintracht und Harmonie fanden, dass sie von ihm belebt wurden und sich miteinander vereinten.

Aber »man wird nirgend Schaden tun noch verderben auf meinem ganzen heiligen Berge; denn das Land ist voller Erkenntnis des Herrn, wie Wasser das Meer bedeckt.« Diese Umstände haben sich zur Zeit der Offenbarung Christi nicht erfüllt; denn bis auf den heutigen Tag gibt es auf der Welt verschiedene und sich bekämpfende Nationen, nur wenige Menschen bekennen sich zum Gotte Israels, und die meisten von ihnen besitzen nicht die Erkenntnis Gottes. Ebenso ist der allgemeine Friede in der Zeit Christi nicht verwirklicht worden, das heißt, unter den sich bekämpfenden und feindlichen Nationen sind Friede und Eintracht nicht zustande gekommen, Streit und Meinungsverschiedenheiten sind nicht überwunden und Versöhnung und Aufrichtigkeit nicht gewonnen worden. So hegen sogar die christlichen Glaubensgemeinschaften und Völker untereinander bis auf den heutigen Tag größte Feindschaft, und sie hassen und bekämpfen sich gegenseitig.

Aber jene Verse treffen Wort für Wort auf Bahá'u'lláh zu: In diesem wunderbaren Zyklus aber wird die Erde verwandelt und die Welt der Menschheit mit Frieden und Schönheit geschmückt. Feindseligkeit, Streit und gegenseitiges Töten werden zu Harmonie, Wahrhaftigkeit und Eintracht; zwischen den Nationen, Völkern, Rassen und Ländern werden gutes Einvernehmen und Liebe herrschen. Zusammenarbeit und Verbundenheit werden sich festigen und schließlich wird der Krieg ganz unmöglich sein. Wenn die Gebote des Heiligsten Buches¹ (¹ Kitáb-i-Aqdas) in Kraft getreten sind, werden Interessenkämpfe und Streitigkeiten durch einen allgemeinen Gerichtshof aller Staaten und Nationen in größter Gerechtigkeit geschlichtet und entschieden und alle auftretenden Schwierigkeiten gelöst werden. Die fünf Erdteile der Welt werden wie `ein Land` sein, die vielen Völker werden wie `ein Volk`, die Erdoberfläche wird wie `ein Vaterland` und das Menschengeschlecht wie `eine Gemeinde` sein. Die Verbindung der Länder untereinander, der Verkehr, die Eintracht und Freundschaft unter den Völkern und Gemeinden werden so groß sein, dass die ganze Menschheit wie `eine Familie` und `ein Geschlecht` wird. Das Licht himmlischer Liebe wird leuchten und die Dunkelheit des Hasses und der Feindschaft wird vergehen. Ein universaler Friede wird inmitten dieser Welt errichtet und der gesegnete Baum des Lebens wird so hoch wachsen und gedeihen, dass sein Schatten über den Osten und den Westen fällt. Die Starken und die Schwachen, die Reichen und die Armen, die streitenden Sekten und die gegnerischen Nationen, die dem Wolf und dem Lamm, dem Leoparden und dem Zicklein, dem Löwen und dem Kalb gleichen, werden in größter Liebe, Freundschaft, Gerechtigkeit und Unparteilichkeit zusammenwirken. Die Welt wird von Wissenschaft, vom Wissen um die Geheimnisse des Seins und der Erkenntnis des Herrn erfüllt sein.

Überlege nun, was für Fortschritte Wissenschaft und Erkenntnis in diesem großen Jahrhundert, das zum Zyklus Bahá'u'lláhs gehört, gemacht haben, wie viele Geheimnisse des Seins entdeckt und wie viele große Erfindungen erdacht wurden, die Tag für Tag um ein Vielfaches zunehmen.

Bald werden sich Wissenschaft und Kenntnisse, ebenso wie die Erkenntnis Gottes, so entwickeln geheime Sinn des Verses Jesajas »Denn das Land ist voll Erkenntnis des Herrn« völlig offenbar.

Überlege auch, dass während der kurzen Zeit, die seit dem Erscheinen Bahá'u'lláhs vergangen ist, Menschen aus allen Ländern, Völkern und Rassen unter den Schutz dieser Sache kamen.

Christen, Juden, Zoroastrier, Buddhisten, Hindus und Perser, alle schließen sich in größter Freundschaft und Liebe zusammen, als seien diese Menschen und ihre Angehörigen seit tausend Jahren miteinander verwandt und verbunden; denn sie sind wie Vater und Sohn, Mutter und Tochter, Bruder und Schwester. Dies ist eine der Bedeutungen der Freundschaft zwischen Wolf und Lamm, Leopard und Zicklein, Löwe und Kalb.

Eines der großen Ereignisse, das am Tage des Erscheinens dieses unvergleichlichen Sprosses eintreten soll, ist das Hissen des Banners des Herrn unter allen Völkern. Das heißt, dass alle Völker und Stämme unter den Schutz dieses göttlichen Banners, das kein anderes als der erhabene Spross Selbst ist, kommen und zu einem einzigen Volke werden. Die Gegensätze der Glaubensbekenntnisse und Religionen, die Feindschaft zwischen Rassen und Völkern und die Verschiedenheiten vaterländischer Interessen werden verschwinden. Alle werden `einer Religion`, `einem Bekenntnis`, `einer Rasse` und `einem Volk` angehören und in `einem Vaterland` wohnen, das die ganze Erde ist. Universaler Friede und Einheit werden unter allen Völkern verwirklicht, und jener unvergleichliche Spross wird ganz Israel versammeln. Das kündet an, dass in diesem Zyklus Israel im Heiligen Land versammelt wird, und dass die Juden, die im Osten und Westen, im Süden und Norden zerstreut sind, vereinigt werden.

Nun sieh, dass sich dies im Zeitalter Christi nicht ereignet hat, denn die Völker sind nicht unter dem einen Banner, mit dem der göttliche Spross gemeint ist, zusammengekommen. Aber in diesem Zyklus des Herrn der Heerscharen werden alle Völker und Nationen unter den Schutz dieses Banners gelangen. Auch das in alle Welt zerstreute Israel wurde im christlichen Zeitalter nicht im Heiligen Land von neuem vereint. Aber am Anfang des Zeitalters Bahá'u'lláhs begann sich dieses göttliche Versprechen, das in allen Büchern der Propheten verkündet wurde, zu erfüllen. Man kann sehen, wie von allen Teilen der Welt jüdische Geschlechter zum Heiligen Land kommen; sie leben in Dörfern und auf Boden, den sie sich erwerben, und Tag für Tag vermehrt sich ihre Zahl in einem solchen Ausmaß, dass ganz Palästina ihre Heimat werden wird¹. (¹ Diese Worte wurden im Jahre 1904 gesprochen und niedergeschrieben und bald darauf im Druck veröffentlicht.)

 

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