(Auszug aus einem in Arbeit befindlichen Buch zum Thema "Geschichte des interreligösen Dialoges")
Mirzá Husayn Alí i-Núrí, später bekannt als Bahá'u'lláh (1817-92), der Stifter der Bahá'í-Religion, war in einer schiitischen Adelsfamilie zu Teheran/Iran aufgewachsen & wurde dort 1844 Mitglied der gerade gestifteten Religion des Báb (1819-50). Noch als Bábí, aber bereits im Bewusstsein der eigenen, 1852 in Teheran empfangenen Offenbarung, pflegte er freundschaftliche Kontakte mit dem zoroastrischen Gelehrten & Handelsreisenden Maneckji Limji Hataria aus Mora Sumali bei Surat/Gujarat (NW-Indien; 1813–1890)[1], von dem berichtet wird[2]: "... Manikji Sahib war ein Parsi-Beauftragter (agent), der von der zoroastrischen Gemeinde von Bombay nach Persien geschickt wurde, um ihren Mitgläubigen zu helfen und zu assistieren. Er traf Bahá'u'lláh in Bagdad im Jahre 1854 auf dem Wege zum Iran und korrespondierte später mit Ihm bei mehr als einer Gelegenheit. Manikji war beeindruckt von Bahá'u'lláhs Würde und Verhalten (comportment) und wurde zur angemessenen Zeit durch eine dauerhafte Beziehung mit Ihm der entstehenden Bahá'í-Gemeinde wohl gesonnen." Zwischen 1869 & 1872 schickte Bahá'u'lláh aus Akká/Palästina-Israel dem Zoroastrier ein religiöses Sendschreiben (Lawh-i-Mánikjí), worin er ihn auch an dieses Treffen erinnnerte[3]: „Dein Brief hat Mich, der Ich den Zwängen des Irdischen unterworfen bin, im Gefängnis erreicht. Er brachte Freude, stärkte die Bande der Freundschaft und rief die Erinnerung an vergangene Tage wach. Preis sei dem Herrn der Welt, der uns die Gunst gewährte, uns in arabischen Landen* zu begegnen und miteinander zu sprechen. So lasst uns hoffen, dass unsere Begegnung niemals in Vergessenheit gerate, noch durch der Zeiten Lauf aus dem Herzen gelöscht werde. Vielmehr sprieße aus diesem Samen die Blume der Freundschaft und bleibe für immer frisch und grün, für alle sichtbar.“
Der schiitische Gelehrte Mírzá Abu'l-Faḍl (1844-1914) aus einem Dorf bei Gulpáygán / Provinz Isfahan (Iran) wurde 1876 Bahá'í & verlor dadurch seine Anstellung in einer theologischen Hochschule zu Teheran[4]. Der Zoroastrier Manikji Sahib aber stellte ihn als Privatsekretär ein, welcher er bis 1882 blieb. Aus dieser Zeit stammen weitere Briefe, in denen der Inder Bahá'u'lláh zahlreiche religiöse Fragen stellte, darunter auch zu Lehren des Hinduismus & seinem eigenen Glauben. Aus den Antworten Bahá'u'lláhs wird mehrfach erkennbar, dass Er Zarathustra als Stifterpropheten anerkannte[5]: „... Da gebot Er mir: 'Schreibe Mírzá Abu’l-Fadl, Meine Herrlichkeit sei mit ihm: ‚Die Menschheit hat sich an Unrecht gewöhnt und flieht die Gerechtigkeit. Eine Manifestation Gottes, die Ihn stets pries, für Sein Wissen und die Heiligkeit und Unvergleichlichkeit Seines Wesens Zeugnis ablegte, wird immer wieder „Sonnen-“ oder „Feueranbeter“ genannt. Wie viele Offenbarer sind erschienen, die Menschen aber verkannten ihren Rang, verschlossen sich ihren Segnungen, und, Gott bewahre, verfluchten und schmähten sie. … Der verehrte Sáhib, möge Gott ihn schützen, hat geschrieben, dass die Hindus und Zoroastrier keine Fremden aufnehmen, die sich ihnen anschließen wollen. Das widerspricht dem Zweck, zu dem Gottesboten erscheinen und ihre Bücher offenbaren. Denn all jene, die auf Gottes Geheiß erscheinen, sind mit der Führung und Erziehung aller Menschen betraut. Wie könnten sie da einen Sucher vom Ziel seiner Suche, einen Reisenden von seinem Herzenswunsch fernhalten? Die Feuertempel sind beredtes Zeugnis für diese Wahrheit. Zu ihrer Zeit rief ihr Feuer alle Bewohner der Erde zu Ihm, dem Geist der Reinheit. … Die Aussage (Zarathustras), „unser Glaube und unsere Religion sind allen anderen überlegen“, bezieht sich auf die Propheten, die vor ihnen erschienen sind. ...“
Zwischen diesen Sendschreiben hatte Bahá'u'lláh 1873 das wichtigste Werk Seiner Religion festgehalten, das Kitáb-i-Aqdas, worin es heißt[6]: "Pflegt Gemeinschaft mit den Gläubigen aller Religionen ...“ und[7]: „Verkehret mit allen Religionen in Herzlichkeit und Eintracht, auf dass sie Gottes süße Düfte von euch einatmen. Hütet euch, dass euch im Umgang mit den Menschen nicht die Hitze törichter Unwissenheit übermanne. ..."
Der älteste Sohn dieses Stifters, Abdu'l-Bahá (1844-1921), schrieb kurz danach (1875) im Auftrag Seines Vaters ein Werk mit dem Titel "Das Geheimnis Göttlicher Kultur", worin wir lesen[8]: "Wenn zum Beispiel ein islámischer Gelehrter im Wortstreit mit einem Christen liegt und nichts von den herrlichen Melodien des Evangeliums weiß, dann wird es ihm nicht möglich sein den Christen zu überzeugen; er wird tauben Ohren predigen, so viel er auch aus dem Qur'án vorträgt. Merkt der Christ jedoch, dass der Muslim über die Grundwahrheiten des Christentums besser Bescheid weiß als die christlichen Theologen und dass er den Sinn der Schriften tiefer erfasst hat als jene, dann wird er den Folgerungen des Muslims gern zustimmen; tatsächlich bleibt ihm dann keine andere Wahl."
Kurz vor der Weiterverbannung aus Edirne (Adrianopel) erlebte Bahá'ulláh Folgendes[9]: "Die Leute umringten das Haus, und Muslime und Christen weinten über Uns ... Wir bemerkten, dass das Volk des Sohnes (der Christen) heftiger weinte als die anderen - ein Zeichen für die, welche nachdenken." Abdu'l-Bahá & die frühen Bahá'í in Haifa & Akká pflegten freundschaftliche Kontakte mit der christlich-messianischen Tempelbewegung[10], welche im Spätherbst 1868 aus dem Stuttgarter Raum dort hin übersiedelt war. Bahá'u'lláh war mit Familie & engen Vertrauten bereits am 31.08. jenes Jahres dort eingetroffen. Hauptkontaktperson war Georg David Hardegg (1812–1879) aus (Ludwigsburg-)Eglosheim/Württemberg[11], an welchen Bahá'u'lláh ein Sendschreiben richtete[12].
Später äußerte Bahá'u'lláh[13]: "Dass den verschiedenen Gemeinschaften der Erde und den mannigfaltigen religiösen Glaubenssystemen niemals erlaubt sein sollte feindselige Gefühle unter den Menschen zu nähren, gehört an diesem Tage zum Wesen des Gottesglaubens und Seiner Religion. ... Religiöser Fanatismus und Hass sind ein weltverzehrendes Feuer, dessen Gewalt niemand löschen kann. Nur die Hand göttlicher Macht kann die Menschen von dieser verheerenden Plage erlösen." - Und an anderer Stelle[14]: "Die Zweifler und die Ungläubigen richten ihren Sinn auf viererlei: erstens das Blutvergießen, zweitens die Bücherverbrennung, drittens das Meiden der Anhänger anderer Religionen, viertens die Ausrottung anderer Gemeinschaften und Gruppen. Aber nunmehr sind durch die kraftvolle Gnade und Allgewalt des Wortes Gottes diese vier Schranken beseitigt, diese ausdrücklichen Befehle aus Gottes Tafel getilgt und tierische Anlagen in geistige Eigenschaften verwandelt worden."
[1] Engl. Wikip-Art. "Maneckji Limji Hataria" v. 09.05.2017.
[2] Laut Wikip.-Art. "Sāhib“ v. 18.05.2017 wird dieses arab. Wort im indisch-pakist. Raum als höfliche Anrede für "Herr" benutzt. Eigene Übersetzung aus dem Englischen: Baha'u'llah's Tablet to Mánikchí Sáhib: Introduction and provisional translation, translated by Ramin Neshati, published in Lights of Irfan, Book 3, Wilmette/Illinois: Irfan Colloquia, 2002, p. 121-128 (persisches Original als "Lawh-i-Mánikchí"); vgl. library.com (1. Abstract).
[3] Tafel an Mánikchí Sáhib - Lawh-i-Mánikchí Sáhib, in: Bahá'u'lláh, Das Tabernakel der Einheit, Hofheim-Langenhain 2012, S. 16 (Kap. 1.3; im E-Book S. 13).
[4] Engl. Wikip-Art. "Mírzá Abu'l-Fadl" v. 05.05.2017 (Abschnitte: Early life & Conversion to the Bahá'í Faith and arrests).
[5] Antworten auf Fragen von Mánikchí Sáhib aus einer Tafel
an Mírzá Abu’l-Fadl, in: Bahá'u'lláh, Das Tabernakel der Einheit, Hofheim-Langenhain 2012, S. 41f. (Kap. 2.26; im E-Book S. 27f.), 46 (2.39; E-Book, S. 32) & 48 (2.45; E-Book, S. 34).
[6] Bahá'u'lláh, Kitáb-i-Aqdas. Das Heiligste Buch, Hofheim 2000, S. 57 (Kap. 75)
[7] Daselbst, S. 83 (Kap. 144); Zuvor schon veröffentlicht in: Inhaltsübersicht und systematische Darstellung der Gesetze und Gebote des Kitáb-i-Aqdas, Hofh.-L. 1987, S. 43f. (17.)
[8] Das Geheimnis Göttlicher Kultur, Oberkalbach 1973, S. 41.
[9] Aus der Súriy-i-Ra'is, zitiert bei Shoghi Effendi, Gott geht vorüber, (Haifa 1944), Oxford 1954 / Hofheim-Langenhain 1974, S. 204. Den engl. Text siehe auf bahai-library.com - Súriy-i-Ra'ís (Abschnitt 12) v. Mitte August 1868 (verfasst in der Ortschaft Káshánih, heute anscheinend Keşan zwischen Edirne & Gallipoli = Gelibolu/Marmara-Region – dazu vgl. Gott geht vorüber, S. 206).
[10] 'Abdu'l-Bahá sagte am Vormittag des 04.04.1913 bei Seinem Besuch in Stuttgart: "Unter den Leuten, die nach Haifa auswanderten, waren viele Stuttgarter und viele aus der Umgebung Stuttgarts. Der Führer oder Vorsitzende dieser Kolonie, Herr Hardegg, ist ein Freund von mir. Als ich in Gefangenschaft war, besuchte er mich. Zu jener Zeit durfte ich 'Akká nicht verlassen. Herr Hardegg erzeigte mir immer viel Liebe. Er bildete ein Bindeglied zwischen mir und den Deutschen. Die deutschen Kolonisten verkehrten nicht mit den Einheimischen, sie verkehrten nur mit 'Abdu'l-Bahá und den Bahá'í. Sie hatten einen deutschen Kutscher, der den Verkehr zwischen 'Akká und Haifa besorgte. Bei jeder Fahrt kam er zu mir. Doch die Bestimmungen für die Gefangenen waren so streng, dass er nicht mit mir sprechen durfte. Die Vorgesetzten erlaubten ihm keinen Besuch bei mir. So stellte er sich dann auf die Straße, dem Haus gegenüber, in dem ich wohnte; er suchte mich mit seinen Blicken, und wenn er mich sah, lächelte er mir zu, und ich nickte ihm wieder lächelnd zu; darauf beschränkte sich unser ganzer Verkehr." Aus: Werner Gollmer, Mein Herz ist bei euch. 'Abdu'l-Bahá in Deutschland, Hofheim-Langenhain 1988, S. 44f. (Rechtschreibung v. mir modernisiert).
[11] Wikip.-Art. "Georg David Hardegg" v. 21.08.2017.
[12] Tablet to Hardegg (Lawh-i-Hirtík). A Tablet of Bahá’u’lláh to the Templer Leader Georg David Hardegg introduced and translated by Stephen Lambden – vgl. bahai-library.com & Bahá’í Studies Bulletin 2/1 (June 1983), p. 32-63. Es wurde zwischen 1868 & 1872 verfasst, am ehesten 1871/72.
[13] Ährenlese. Eine Auswahl aus den Schriften Bahá'u'lláhs, zusammengestellt ... von Shoghi Effendi, Hofheim-Langenhain 4. Auflage 1999, S. 250 (Kap. 132:1f.).Text auch in: Bahá'u'lláh, Brief an den Sohn des Wolfes, Frankfurt am Main 1966, S. 28 (Schrift v. 1891).
[14] Lawh-i-Dunyá (Das Sendschreiben über die Welt), in: Botschaften aus ‘Akká offenbart nach dem Kitáb-i-Aqdas, Hofheim-Langenhain 1982, S. 112 (Kap. 7, Abs. 27) = Brief an Áqá Mírzá Áqáy-i-Afnán (Núru'd-Dín), einen Neffen von Khadíjih Bagum, der Gemahlin des Báb, von 1891.
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