Ein Schlüsselprinzip der Bahá'í ist die unabhängige Suche nach Wahrheit.
Das Bahá'í-Konzept der unabhängigen, selbständigen Suche nach Wahrheit bedeutet, dass jede zurechnungsfähige Person die Aufgabe hat, ihre religiösen Überzeugungen zu untersuchen und die Wahrheit über die Fragen des Lebens für sich selbst zu suchen. Man sollte nicht einfach einer Religion folgen, nur weil die eigenen Eltern es getan haben oder weil man von anderen Menschen dazu aufgefordert wurde. Bahá'í versuchen alle Arten von Religionen und ihre Schriften zu studieren, jeder Mensch ist dafür zuständig, seine eigene persönliche Wahrheit zu finden.
»Von allem das Meistgeliebte ist Mir die Gerechtigkeit. Wende dich nicht ab von ihr, wenn du nach Mir verlangst, und vergiss sie nicht, damit Ich dir vertrauen kann. Mit ihrer Hilfe sollst du mit eigenen Augen sehen, nicht mit denen anderer, und durch eigene Erkenntnis Wissen erlangen, nicht durch die deines Nächsten. Bedenke im Herzen, wie du sein solltest. Wahrlich, Gerechtigkeit ist Meine Gabe und das Zeichen Meiner Gnade. So halte sie dir vor Augen.« - Baha'u'llah, im Buch 'Verborgene Worte'.
Die Bahá'í-Religion lehrt, dass der Mensch mit 15 Jahren das Reifealter erreicht und damit die Fähigkeit, die Wahrheit selbständig zu erkennen. Ab diesem Alter ist es möglich, Bahá'í zu werden. Wenn jemand die Gnade erfährt, die Offenbarung für die heutige Zeit zu erkennen, heißt das nicht, dass er damit schon alle falschen Überlieferungen, Aberglauben und Vorurteile überwunden hat, aber er übernimmt den Auftrag, diese Schleier des Irrtums abzubauen. Da die Offenbarung Gottes der Reife der Menschheit angepasst ist, hat jeder die Möglichkeit, sie als wahr zu erkennen und sich damit die größte Quelle des Glücks zu erschließen.
Bahá'u'lláh macht allen Seinen Anhängern das Verständnis des Prinzips der Gerechtigkeit zur Pflicht und erklärt diese in 'Worte der Weisheit':
»Freiheit des Menschen von Aberglauben und Nachahmung, so dass er die Manifestationen Gottes mit dem Auge der Einheit erkennen und alle Verhältnisse mit scharfem Blick durchschauen kann.«
Es ist notwendig, dass jedermann die Herrlichkeit Gottes, geoffenbart in dem menschlichen Tempel Bahá'u'lláh, sieht und sie sich gegenwärtig macht, andernfalls wäre der Bahá'í-Glaube für ihn vielleicht eine unter zahlreichen Philosophien. Der Ruf der Offenbarer an die Menschheit enthielt immer die Aufforderung, sie möchten ihre Augen öffnen, nicht schließen, und ihre Vernunft gebrauchen, nicht unterdrücken. Klares Sehen und ein freies Denken sind es, nicht sklavische Leichtgläubigkeit, die den Menschen befähigen, die Wolken der Vorurteile zu durchdringen, die Fesseln blinder Nachahmungen abzuschütteln und zum Erfassen der Wahrheit einer neuen Offenbarung zu gelangen.
Wer ein Bahá'í werden will, muss vor allem ein furchtloser Wahrheitsforscher sein. Er sollte aber sein Suchen nicht nur auf diese materielle Ebene beschränken. Sein geistiges Wahrnehmungsvermögen sollte ebenso wach sein wie sein physisches. Er sollte alle ihm von Gott verliehenen Fähigkeiten gebrauchen, um zur Wahrheit zu gelangen, und ohne triftigen und genügenden Grund nichts glauben. Wenn sein Herz rein und sein Geist vorurteilsfrei sind, wird der ernste Sucher nicht verfehlen, die göttliche Herrlichkeit zu erkennen, in welchem Tempel sie auch zum Vorschein kommen mag.
Bahá'u'lláh erklärt ferner:
»Der Mensch muss sein eigenes Ich erkennen und wissen, was zu Erhabenheit oder Gemeinheit, zu Schande oder Ehre, zu Wohlstand oder Armut führt.« (Tarazát)
»Die Quelle aller Gelehrsamkeit ist die Erkenntnis Gottes, erhaben sei Sein Ruhm! Diese Erkenntnis kann auf keine andere Weise erlangt werden als durch die Erkenntnis Seiner göttlichen Manifestation.« (Worte der Weisheit)
Die Manifestation ist der vollkommene Mensch, das große Vorbild für die Menschheit, die erste Frucht am Baum der Menschheit. Solange wir die Manifestation nicht kennen, kennen wir die in uns verborgenen Möglichkeiten nicht. Christus lehrt uns, wir sollen die Lilien betrachten, wie sie wachsen, und Er erklärt, dass Salomo - in all seiner Herrlichkeit - nicht bekleidet gewesen sei wie eine dieser Lilien. Die Lilie wächst aus einer sehr unansehnlichen Knolle hervor. Wenn wir noch nie eine blühende Lilie gesehen und niemals auf den unvergleichlichen Reiz ihrer Blätter und Blüten geblickt hätten, wie könnten wir uns darin die Wirklichkeit, welche die Knolle enthält, vorstellen? Wenn wir sie auch noch so sorgfältig zerlegen und ihr Inneres auch noch so genau erforschen würden, die in ihr schlafende Schönheit, die der Gärtner zu wecken weiß, würden wir doch nie entdecken. So ist es auch mit uns. Solange wir die Herrlichkeit Gottes, in der Manifestation geoffenbart, nicht geschaut haben, solange haben wir keine Vorstellung von der geistigen Schönheit, die in unserer eigenen Natur und in der unserer Mitmenschen verborgen liegt. Dadurch, dass wir die Manifestation Gottes erkennen und lieben und Ihre Lehren befolgen, werden wir befähigt, uns allmählich der in uns schlummernden Vollkommenheit bewusst zu werden. Dann, und nur dann, wird uns der Sinn und der Zweck des Lebens und des Weltalls klar werden.
Bahá'í teilen ihren Glauben mit denen, die Antworten suchen und überlassen sie dann der Obhut Gottes.
Wir lehren eine persönliche, unabhängige Suche nach Wahrheit. Wir unterrichten unsere Kinder über alle Lehrer Gottes und darüber, dass Sie eins sind.
Im Buch 'Ährenlese' schrieb Bahá'u'lláh:
»Wenn ein wahrer Sucher sich entschließt, mit forschendem Schritt den Pfad zu betreten, der zur Erkenntnis des Altehrwürdigen der Tage führt, muss er vor allem sein Herz, den Sitz der Offenbarung der inneren Geheimnisse Gottes, vom trübenden Staub allen erworbenen Wissens und von den Andeutungen der Verkörperungen teuflischer Wahngebilde reinigen. Er muss seine Brust, das Heiligtum der immerwährenden Liebe des Geliebten, von jeder Befleckung läutern und seine Seele von allem heiligen, was dem Wasser und dem Lehm zugehört, von allen schattenhaften, flüchtigen Verhaftungen. Er muss sein Herz so läutern, dass kein Rest von Liebe oder Hass darin zurückbleibt, damit weder Liebe ihn blind zum Irrtum leite, noch Hass ihn von der Wahrheit scheuche. Denn wie du an diesem Tage siehst, sind die meisten Menschen solcher Liebe und solchen Hasses wegen des unsterblichen Antlitzes beraubt, sind von den Verkörperungen der göttlichen Geheimnisse weit abgeirrt und streifen hirtenlos durch die Wildnis des Vergessens und des Irrtums.
Der Sucher muss allezeit sein Vertrauen in Gott setzen, muss sich von den Erdenmenschen abkehren, sich von der Welt des Staubes lösen und Ihm, dem Herrn der Herren, anhangen. Nie darf er sich über einen anderen erheben wollen, jede Spur von Stolz und Dünkel muss er von der Tafel seines Herzens waschen, muss in Geduld und Ergebung harren, Schweigen üben und sich eitler Rede enthalten. Denn die Zunge ist ein schwelend Feuer, und zu viel der Rede ist ein tödlich Gift. Natürliches Feuer verbrennt den Körper, das Feuer der Zunge aber verzehrt Herz und Seele. Die Kraft des einen währt nur eine Weile, aber die Wirkung des anderen dauert ein Jahrhundert lang.«
Im Buch von Adib Taherzadeh, 'Die Offenbarung Bahá'u'lláhs', lesen wir:
»O Volk des Bayán! Lasst euren eitlen Wahn und leeren Trug, alsdann schauet mit rechtem Augenmaß auf den Morgen Seiner Verkündigung und betrachtet, was Er offenbart, die Worte, die Er von Gott verkündet, und die Leiden, die Ihm die Hände Seiner Feinde angetan. Er ist Der, welcher jedwede Heimsuchung willig auf sich nahm, um Seine Sache zu verkünden und Sein Wort zu verherrlichen. Einmal duldete Er Kerkerhaft im Lande Tá (Tihrán), ein andermal im Lande Mím (Mázindarán), dann noch einmal im erstgenannten Land - alles für die Sache Gottes, des Schöpfers der Himmel. Für Seine Liebe zur Sache Gottes, des Allmächtigen, des Allbarmherzigen, wurde Er dort in Ketten und Bande gelegt.
O Volk des Bayán! Habt ihr die Ermahnungen vergessen, die Meine Feder offenbarte und Meine Zunge sprach? Habt ihr Meine Gewissheit verschachert gegen euren eitlen Wahn und Meinen Pfad gegen eure selbstischen Begierden? Habt ihr die Gebote Gottes und Sein Gedenken weggeworfen, Seine Gesetze und Vorschriften aufgegeben? Fürchtet Gott, überlasst den leeren Trug seinen Erzeugern, den Aberglauben seinen Erfindern und die Zweifel denen, die sie ausbrüten. Mit strahlendem Angesicht und mit makellosem Herzen schreitet sodann voran zu dem Himmelssaum, über dem hell die Sonne der Gewissheit scheint auf Geheiß Gottes, des Herrn der Offenbarungen.«
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