Die schädlichen Auswirkungen von übler Nachrede

Die Auswirkungen von übler Nachrede

Wir hören zum Beispiel über eine junge Frau; sie wurde außerhalb der Ehe schwanger. In ihrer Erregung sprach sie über ihre Angst vor dem, was andere von ihr denken würden - sie hatte Angst vor Beschimpfungen. Sie fühlte, dass sie ihren Familiennamen beschmutzt hatte und war erstarrt über das Urteil ihrer engen und großen Familie, ihrer Gemeinschaft und ihrer Freunde.

Sie kommt vielleicht aus einer sehr traditionellen Familie und denkt daran, wie ihre Eltern erwarten könnten, dass sie eine Abtreibung vornehmen würde, um "das Gesicht zu wahren".

Dies ist kein Blogbeitrag über Recht und Unrecht, ein Kind außerhalb der Ehe zu haben. Es ist kein Beitrag über Abtreibung. Vielmehr geht es um eine erschreckende Erkenntnis, dass üble Nachrede das Licht des Herzens verlöscht und das Leben der Seele erstickt - tatsächlich kann sie sogar ein Leben beenden.

Wenn wir uns an übler Nachrede und Fehlersuche bei anderen beteiligen, sind wir selbst rücksichtslos. Wir beteiligen uns daran, gesellschaftlichen Druck auf jemanden auszuüben, und im Extremfall bringen wir Menschen unwissentlich in verzweifelte Situationen, in denen sie das Gefühl haben, dass sie zwischen ihrer Ehre und ihrem Ruf oder einem menschlichen Leben wählen müssen. In diesem Moment haben wir diese Person weitgehend entmenschlicht.

Üble Nachrede, Verleumdung und Verweilen bei den Fehlern anderer hat Bahá’u’lláh mehrfach verurteilt. In dem Büchlein 'Verborgene Worte' sagte Er unmissverständlich:

»O Sohn des Seins! Wie konntest du deine eigenen Fehler vergessen und dich mit den Fehlern der anderen befassen? Wer dies tut, ist von Mir verworfen.«

»O Sohn des Menschen! Sprich nicht über die Sünden anderer, solange du selbst ein Sünder bist. So du dieses Gebot übertrittst, bist du verworfen – dies bezeuge Ich dir.«

Im Kitáb-i-Aqdas, dem Allerheiligsten Buch, schreibt Bahá'u'lláh, dass üble Nachrede und Verleumdung nicht erlaubt sind. Gesetze Gottes wie diese dienen unserem Schutz; wenn wir ihnen treu bleiben, sind wir in einer besseren Position, um unser Leben zu steuern. Die Gesetze Gottes wurden aus Gottes Liebe zur Menschheit erlassen. Sie sind nicht als Maßstab für uns gedacht, um uns mit anderen zu vergleichen, oder als Werkzeug für uns, um über andere zu urteilen.

Diese strenge Ermahnung wiederholte Er in Seinem letzten Werk, Seinem 'Buch des Bundes':

»Wahrlich, Ich sage: Die Zunge ist dazu da, vom Guten zu sprechen; befleckt sie nicht mit übler Rede. Gott hat vergeben, was vergangen ist. Von nun an sage jeder, was sich schickt, und enthalte sich der üblen Nachrede, der Schmähung und all dessen, was andere Menschen betrübt.«

Dies kann weit über das oben genannte Beispiel hinaus zutreffen. Gesellschaftliche Erwartungen und Urteile haben zu Selbstmord, Ehrenmord, Depression und Angst geführt - und sie haben ihre Wurzeln in einer unnachgiebigen Gesellschaft. Es gibt Beispiele für Frauen, die in missbräuchlichen Beziehungen bleiben, anstatt sich dem Stigma der Scheidung zu stellen; es gibt Gymnasiasten, die sich für Selbstmord und nicht für eine zu absolvierende Aufnahmeprüfung entscheiden; es gibt Ehemänner, welche den Tod und nicht die Schande wählen, nicht für ihre Familie sorgen zu können; es gibt Frauen und Männer, die nach ihrer Vergewaltigung schweigen werden - aus Angst vor der Schande, mit welcher sie konfrontiert werden.

Wir alle versuchen unser Bestes, um das Leben zu meistern. Wenn ein Kind seine ersten Schritte macht, loben wir seine Bemühungen und erkennen, dass es sein Bestes gibt, - oder konzentrieren wir uns auf sein Hinfallen? Wir alle versuchen, uns mit der Dualität unserer niedrigeren und höheren Natur auseinanderzusetzen. ‘Abdu’l-Bahás schrieb dazu im Buch 'Ansprachen in Paris':

»Im Menschen sind zwei Naturen: seine geistige oder höhere und seine materielle oder niedere Natur. In der einen nähert er sich Gott, wogegen er in der anderen nur der Welt lebt. Von beiden Naturen finden sich im Menschen Zeichen. In seiner materiellen Art bringt er Lüge, Grausamkeit und Ungerechtigkeit zum Ausdruck, die alle seiner niederen Natur entspringen. Die Eigenschaften seiner göttlichen Natur erscheinen als Liebe, Erbarmen, Güte, Wahrheit und Gerechtigkeit, und sie sind eine wie die andere Ausdruck seines höheren Wesens. Alles Gute Gebaren, jeder edle Zug gehört der geistigen Natur des Menschen an, wogegen alle seine Unzulänglichkeiten und bösen Taten aus seiner materiellen Wesensart heraus geboren werden. Überwiegt bei einem Menschen die göttliche Natur gegenüber der menschlichen, so haben wir einen Heiligen.«

Wir alle haben Fehler und Mängel, die unvermeidlich aufgedeckt werden. Aber gerade durch ihre Offenlegung können wir wachsen und uns entwickeln. Deshalb sollten wir geduldig und freundlich zueinander und sogar zu uns selbst sein. Wenn wir über andere urteilen, urteilen wir auch über uns selbst. Wenn wir nicht nett zu anderen sind, wie können wir dann nett zu uns selbst sein? Wenn wir an der Verleumdung teilnehmen, geben wir dann nicht grünes Licht dafür, dass andere uns dem Gleichen unterwerfen können?

Bahá'u'lláh äußerte auch im Buch 'Ährenlese aus den Schriften Bahá’u’lláhs' über die Folgen der üblen Nachrede: sie gehen weit über den Moment hinaus; in Wirklichkeit sind deren Auswirkungen lang anhaltend:

»Der Sucher soll allezeit sein Vertrauen in Gott setzen und sich von den Erdenmenschen abkehren. Er soll sich von der Welt des Staubes lösen und Ihm, dem Herrn der Herren, anhängen. Nie darf er sich über einen anderen erheben wollen, jede Spur von Stolz und Dünkel soll er von der Tafel seines Herzens waschen. Er soll in Geduld und Ergebung harren, Schweigen üben und sich eitler Rede enthalten. Denn die Zunge ist ein schwelend Feuer, und zu viel der Rede ein tödlich Gift. Natürliches Feuer verbrennt den Körper, das Feuer der Zunge aber verzehrt Herz und Seele. Die Kraft des einen währt nur eine Weile, aber die Wirkung des anderen dauert ein Jahrhundert lang.«

Die Erwartungen der Gesellschaft an uns und ihr Urteil über uns sollten uns nicht definieren. Wenn sie das tun, hören wir auf, selbständige Menschen zu sein. Wir legen mehr Wert auf ein Urteil, das ein Fehler und ein Fehlverhalten eines Menschen bedingt, als auf den inhärenten Adel eines menschlichen Lebens. Aus diesem Grund müssen wir uns leidenschaftlich davor hüten, diffamiert zu werden oder an übler Nachrede teilzunehmen.

‘Abdu’l-Bahá rät uns im Buch 'Briefe und Botschaften' üble Nachrede zu vermeiden:

»O ihr Geliebten des Herrn! Wenn jemand über einen Abwesenden Schlechtes sagt, führt das nur zu dem einen Ergebnis: Er dämpft die Begeisterung der Freunde und macht sie gleichgültig. Denn üble Nachrede entzweit und ist der Hauptgrund dafür, dass sich Freunde zurückziehen. Wenn jemand Schlechtes über einen Abwesenden sagt, haben seine Zuhörer die Pflicht, ihm auf geistige, freundliche Art Einhalt zu gebieten und ihm etwa folgendes zu sagen: Könnte diese Herabsetzung einem guten Zweck dienen? Würde sie die Gesegnete Schönheit erfreuen, zur bleibenden Ehre der Freunde beitragen, den heiligen Glauben voranbringen, das Bündnis stärken, oder irgendeiner Seele nützen? Nein, niemals! Im Gegenteil, dieses Gerede würde so dicke Lagen Staub auf die Herzen häufen, dass die Ohren nichts mehr hören, und die Augen das Licht der Wahrheit nicht mehr sehen.«

In der Gesellschaft hat sich üble Nachrede „normalisiert“. Es ist ein saftiges Stück Klatsch, etwas, worüber man anonym oder unverhohlen posten kann. Es ist etwas, das wir für berechtigt halten, beim Kaffee zu diskutieren - ohne Rücksicht auf die Folgen und den Schaden, der durch unsere Worte verursacht wird. Was wir jedoch schaffen, ist eine Gesellschaft, die bereit ist, ihre Bürger auszugrenzen, zu entmenschlichen und zu entwerten. Eine, die in ihrer Denkweise festgelegt ist, anstatt sich auf das Wachstum ihrer Menschen zu konzentrieren.

Wie wäre es, wenn wir verleumdungsfreie Gespräche hätten, dass wir, wenn wir den Schaden verstehen, der durch Verleumdungen verursacht wird, in einer besseren Position sein werden, um unser eigenes Verhalten zu korrigieren und andere zu ermutigen, dasselbe zu tun. Shoghi Effendi schrieb darüber hinaus:

»Die schlimmste Eigenschaft und die größte Sünde ist die üble Nachrede, ganz besonders, wenn sie vom Munde der Gläubigen Gottes ausgeht. Wenn ein Mittel erfunden würde, durch das die Tore der üblen Nachrede für ewig geschlossen werden könnten und jeder Gläubige Gottes seine Lippen zum Lobe der anderen öffnete, dann würden die Lehren Bahá'u'lláhs verbreitet, die Herzen erleuchtet, der Geist der Menschen veredelt, und die Menschheit würde ewiges Glück erlangen.«

Immer auf das Gute sehen und nicht auf die Fehler. Das wäre praktischer Übungen wert – denn leider scheint es nicht von selber zu kommen!

Zum Abschluss diese Worte Abdu'l-Bahás aus dem Buch 'Bahá'u'lláh und das neue Zeitalter':

»Über die Fehler anderer schweigen, für sie beten und ihnen durch Güte helfen, ihre Fehler zu bessern. Immer auf das Gute blicken und nicht auf das Schlechte. Wenn ein Mensch zehn gute und eine schlechte Eigenschaft hat, auf die zehn guten blicken und die eine schlechte übersehen. Und wenn ein Mensch zehn schlechte und eine gute Eigenschaft hat, auf die eine gute blicken und die zehn schlechten übersehen. Sich niemals erlauben, ein unfreundliches Wort über einen anderen zu sprechen, selbst wenn dieser unser Feind wäre.«

 

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