Leben und Tod sind untrennbar miteinander verbunden - aber ist das Leben nach dem Tod eine Tatsache? Das Jenseits ist ein undurchdringliches Geheimnis, wie die Bahá'í-Lehren zeigen; wir lesen dazu bei Bahá'u'lláh, im Buch 'Ährenlese':
»Das Wesen der Seele nach dem Tode lässt sich niemals beschreiben, noch ist es angemessen und erlaubt, ihre ganze Beschaffenheit den Augen der Menschen zu enthüllen.«
Bahá'u'lláh schrieb weiter:
»Das Jenseits ist so verschieden vom Diesseits wie diese Welt von der des Kindes, das noch im Mutterleib ist. Wenn die Seele in die Gegenwart Gottes gelangt, wird sie die Gestalt annehmen, die ihrer Unsterblichkeit am besten ansteht und ihrer himmlischen Wohnstatt würdig ist.«
Auch wenn der ganze Charakter des Jenseits nicht vollständig beschrieben werden kann, so beziehen sich die Bahá'í-Schriften doch teilweise auf die Natur der Seele im Jenseits. Folgende bemerkenswerte Darstellung der nächsten Welt aus Bahá'u'lláhs Schriften gibt uns ein perfektes Beispiel für diese Teilbeschreibung, die als Vorschau oder Einblick in das Jenseits betrachtet werden kann.
»… Nun zu deiner Frage über die Seele des Menschen und ihr Fortleben nach dem Tode. Wisse wahrlich, dass die Seele nach ihrer Trennung vom Leibe weiter fortschreitet, bis sie die Gegenwart Gottes erreicht, in einem Zustand und einer Beschaffenheit, die weder der Lauf der Zeiten und Jahrhunderte, noch der Wechsel und Wandel dieser Welt ändern können. Sie wird so lange bestehen, wie das Reich Gottes, Seine Allgewalt, Seine Herrschaft und Macht bestehen werden. Sie wird die Zeichen Gottes und Seine Eigenschaften offenbaren, Seine Gnade und Huld enthüllen. Meine Feder stockt, wenn sie die Höhe und Herrlichkeit einer so erhabenen Stufe gebührend zu beschreiben sucht. Mit solcher Ehre wird die Hand der Barmherzigkeit die Seele bekleiden, dass keine Zunge es gebührend schildern, noch ein anderes irdisches Mittel es beschreiben kann. Gesegnet die Seele, die zur Stunde ihrer Trennung vom Leibe über die eitlen Vorstellungen der Völker dieser Welt geheiligt ist. Eine solche Seele lebt und wirkt im Einklang mit dem Willen ihres Schöpfers und geht in das allhöchste Paradies ein. Die Himmelsdienerinnen, Bewohnerinnen der erhabensten Stätten, werden sie umschreiten, und die Propheten Gottes und Seine Auserwählten werden ihre Gesellschaft suchen. Mit ihnen wird die Seele frei verkehren und ihnen berichten, was sie auf ihrem Wege zu Gott, dem Herrn aller Welten, erdulden musste. Erführe ein Mensch, was einer solchen Seele in den Welten Gottes, des Herrn des Thrones in der Höhe und auf Erden hienieden, verordnet ist, er entflammte sogleich mit seinem ganzen Wesen im überwältigenden Verlangen, diese erhabenste, diese geheiligte, strahlende Stufe zu erreichen…«
Die Bahá'í-Lehren über die Natur des Jenseits werden auch durch Metaphern vermittelt - nicht nur in den Bahá'í-Schriften, einschließlich Gebeten für Verstorbene -, sondern vor allem in Form von Träumen. Wenn es um die Darstellung der nächsten Welt geht, sind Träume Metaphern mit eigener "Traumlogik", und sie sind nicht immer wörtlich zu nehmen. In diesem perfekten Beispiel eines Gespräches im Traum, im Buch 'Vorbilder der Treue – Erinnerungen an frühe Gläubige', gab uns ‘Abdu’l-Bahá einen Einblick in das Leben nach dem Tod.
»Eine weitere Hand der Sache war der verehrte Mullá ‘Alí-Akbar – mit ihm sei die Herrlichkeit Gottes, des Allherrlichen. … Kürzlich sah ich ihn nachts in der Welt der Träume. Er war immer von wuchtiger Gestalt gewesen. Im Traum erschien er mir breiter und fülliger als je zuvor. Er schien von einer Reise zurückgekehrt zu sein. Ich sagte zu ihm: "Jináb, du bist voll und stattlich geworden." "Ja", antwortete er, "Gott sei gelobt! Ich war an Orten, wo die Luft frisch und süß ist, und das Wasser kristallklar. Die Landschaften dort sind wunderschön anzusehen, und die Speisen sind köstlich. Das alles ist mir natürlich gut bekommen, ich bin kräftiger als je zuvor und fühle mich wieder wohl wie in früher Jugend. Der Odem des Allbarmherzigen wehte über mich, und ich verbrachte all meine Zeit damit, von Gott zu künden.«
Obwohl dieser Traum nicht wörtlich genommen werden sollte, veranschaulicht er ein wichtiges spirituelles Prinzip: das Gesetz der Entsprechung.
Die Bahá'í-Lehren besagen: "Was auch immer in dieser Welt der Existenz erscheint, sind die äußeren Bilder der Welt des Himmels". - Wie können wir dann sehen, was diese Objekte wirklich bedeuten?
Lassen Sie uns das "genaue Gegenstück" zu jedem der "Objekte" untersuchen, die in ‘Abdu’l-Bahás Traum erschienen sind. Im Traum sprachen ‘Abdu’l-Bahá und Mullá Alí-Akbar, wobei Letzterer bereits in die nächste Welt übergegangen war und Ersterer ihn mit Seiner dort befindlichen Seele besuchte - miteinander und führten dabei ein sehr angenehmes Gespräch.
Dieser Traum erscheint wie mehr als nur ‘Abdu’l-Bahás Fantasie. In einem "wahren Traum" wie diesem findet eine echte spirituelle Kommunikation statt. So hat dieser Traum, den ‘Abdu’l-Bahá erzählte, Konsequenzen für unser Verständnis der Realität der nächsten Welt. Wenn wir ihn sorgfältig studieren, können wir mindestens fünf seiner tiefsten Bedeutungen herausfinden:
1) Erstens, wie ‘Abdu’l-Bahá in 'Ansprachen in Paris' sagte:
»Der Umstand, dass der Mensch Verstand besitzt, beweist seine Unsterblichkeit.«
Bahá'ís glauben, dass der Tod das Gedächtnis und die Intelligenz nicht zerstört, obwohl jene Mechanismen des Gehirns, welche für die Kodierung des Gedächtnisses verantwortlich sind, nach dem Tod nicht mehr funktionieren. Aber irgendwie wird der Seele die Erinnerung eingeprägt. Die Seele ist intelligent, in der Lage im Jenseits zu kommunizieren und Freude zu erleben, indem sie ein robustes und zielgerichtetes "zweites Leben" führt. In einem Gebet für die Verstorbenen gab uns Bahá'u'lláh weitere Einblicke in die Natur der nächsten Welt:
»Gewähre alsdann, o mein Gott, dass Dein Diener mit Deinen Erwählten, Deinen Heiligen und Deinen Boten verkehren darf in himmlischen Gefilden, wie sie weder die Feder beschreiben noch die Zunge schildern kann.
O mein Herr, der Arme ist wahrlich zum Königreich Deines Reichtums geeilt, der Fremdling zu seiner Wohnstatt an Deinem Hofe, der Verdurstende zum himmlischen Strom Deiner Großmut. Versage ihm nicht, o Herr, sein Teil am Festmahl Deiner Gnade und an der Gunst Deiner Freigebigkeit. Du bist in Wahrheit der Allmächtige, der Gnädige, der Allgütige!«
2) Die Seele ist lebendig und gesund und erhält geistige Nahrung, was dadurch beschrieben wird, dass der oben beschriebene Mullá Alí-Akbar "größer und dicker denn je erschien" und dass er "gut und kräftig geworden" war, was bedeutet, dass er gut ernährt erschien, wenn nicht sogar „angenehm übergewichtig“.
So hatte ‘Abdu’l-Bahás Freund eine gesunde Ernährung, vermutlich aus geistiger Nahrung, symbolisiert durch den Gegenpart der körperlichen Nahrung. Außerdem gibt es im Paradies Bankette, wie von Bahá'u'lláh im oben zitierten Gebet für die Verstorbenen angedeutet. Zum Beispiel erzählte der Bab einem seiner Anhänger, dem ersten Bábi-Märtyrer, zitiert im Buch 'Nabíls Bericht aus den frühen Tagen der Bahá'í-Offenbarung':
»Dann ließ der Báb Mullá Alíy-i-Bastámí zu Sich kommen und sprach Worte voll Liebe und Güte zu ihm. Er gab ihm den Auftrag, direkt nach Najaf und Karbilá zu gehen. Er deutete an, dass ihn dort schwere Prüfungen und Leiden erwarteten, und trug ihm auf, standhaft zu sein bis ans Ende. "Dein Glaube", sprach Er zu ihm, "muss unverrückbar sein wie ein Felsen, muss jeden Sturm überstehen und jede Not überdauern. Lass dich nicht kränken durch die Verleumdungen der Toren und die Lügen der Geistlichen, und lass dich durch nichts von deinem Ziel abbringen. Denn du bist aufgerufen, an dem himmlischen Festmahl teilzunehmen, das deiner im Reiche der Unsterblichkeit harrt. Du bist der erste, der das Haus Gottes verlassen und um Seiner Sache willen leiden wird. Wenn du auf Seinem Pfade erschlagen werden solltest, dann denke daran, dass dein Lohn groß sein wird und gut die Gabe, die für dich bestimmt ist".«
Wir wissen nicht genau, was solche "Festmahle" im Paradies symbolisieren könnten, aber da die gleiche Sprache in diesem irdischen Leben verwendet wird, können wir daraus schließen, dass diese himmlischen Bankette Erfahrungen geistiger Freude und Erfüllung sind. Zum Beispiel schrieb ‘Abdu’l-Bahá im Buch 'Briefe und Botschaften':
»Zu euch, o ihr Geliebten Gottes! Löst eure Zunge und bringt Ihm Dank dar, preist und verherrlicht die Schönheit des Angebeteten; denn ihr habt aus diesem reinsten Kelch getrunken, ihr seid begeistert und entflammt von diesem Wein. Ihr habt den süßen Duft der Heiligkeit entdeckt, ihr atmet den Moschus der Treue aus Josefs Gewand. Ihr nährt euch vom Honigtau der Ergebenheit aus der Hand des Einziggeliebten, ihr labt euch an unsterblicher Speise von der üppigen Festtafel des Herrn. Dieser Überfluss ist eine besondere Gunst, die ein liebender Gott euch schenkt; das sind Segnungen und seltene Gaben, die aus Seiner Gnade kommen. Im Evangelium sagt Er: "Denn viele sind berufen, aber wenige sind auserwählt."« (Matth. 22:14)
»Das bedeutet: Vielen wurde es angetragen, aber nur wenige Seelen sind erwählt, die große Gabe der Führung zu empfangen. "So ist Gottes Großmut: Wem Er geben will, dem gibt Er, und Gott ist von unermesslicher Großmut."« (Qur'án 57:21)
3) Die Seele schreitet durch die Welten Gottes, wie auf einer Reise, was vielleicht der Grund dafür ist, warum ‘Abdu’l-Bahá sagte: "Er schien von einer Reise zurückgekehrt zu sein." Bahá'u'lláh verkündete im Buch 'Das Tabernakel der Einheit':
»Wer an diesem Tag das Wohlgefallen des einen, wahren Gottes erlangt, zählt zu den Bewohnern des höchsten Paradieses, des herrlichsten Paradiesgartens. Er wird in allen Welten Gottes an dessen Früchten teilhaben.«
4) Die Seele lebt in einer angenehmen Umgebung, "Orte", an denen "die Luft" "frisch und süß" ist, und das "Wasser" "kristallklar", wo "die Landschaften … schön anzusehen" sind, wo "die Speisen" "köstlich" sind. Da die Seele keine Lungen hat, um die frische und süße Luft zu atmen, und keinen Mund, um das kristallklare Wasser zu trinken oder die köstlichen Speisen zu genießen, oder Augen, um die schönen Landschaften zu sehen und zu genießen, was könnte diese herrliche und ermutigende Beschreibung der nächsten Welt spirituell darstellen? Offensichtlich physische Metaphern für eine spirituelle Existenz, beschreiben sie die Segnungen, die wir auch in diesem irdischen Leben, wie in diesem Gebet von Bahá'u'lláh, erfahren können:
»Von den duftenden Strömen Deiner Ewigkeit gib mir zu trinken, o mein Gott, und lass mich die Früchte vom Baume Deines Wesens kosten, o meine Hoffnung! Aus den kristallenen Quellen Deiner Liebe lass mich trinken die Fülle, o meine Herrlichkeit, und wohnen im Schatten Deiner unvergänglichen Vorsehung, o mein Licht. Durch die Auen Deiner Nähe, in Deiner Gegenwart, lass mich schweifen, o mein Geliebter, und sitzen zur Rechten des Thrones Deines Erbarmens, o meine Sehnsucht! Lass von den duftenden Winden Deiner Freude einen Hauch über mich wehen, o mein Ziel, und gewähre mir Zutritt zu den Paradieseshöhen Deiner Wirklichkeit, o mein Angebeteter!«
5) Die Seele bereitet sich auf das Paradies auf dieser irdischen Ebene vor, indem sie ein geistiges Leben führt. Wenn sie das tut, hat die Seele vor dem Tod einen Geschmack vom Paradies. Im Buch 'Gebete und Meditationen' von Bahá’u’lláh finden wir folgende Aussage:
»Sie sind es fürwahr, denen alles, was aus dem Munde Deines Urwillens hervorgeht, Wein ist, Dein hinreißender Ruf der reine Trunk, Deine Liebe der himmlische Strom, Eintritt in Deine Gegenwart und die Wiedervereinigung mit Dir das Paradies; denn Du bist ihr Anfang und ihr Ende, ihre größte Hoffnung, ihre höchste Sehnsucht.«
In Bahá'u'lláhs Buch 'Das Tabernakel der Einheit' finden wir folgende Aussage:
»Man möchte sie fragen, was sie mit Paradies meinen und was sie davon verstanden haben. Wer an diesem Tag das Wohlgefallen des einen, wahren Gottes erlangt, zählt zu den Bewohnern des höchsten Paradieses, des herrlichsten Paradiesgartens. Er wird in allen Welten Gottes an dessen Früchten teilhaben. Bei Ihm, der Sehnsucht aller Menschen! Die Feder ist machtlos, diese Stufe zu beschreiben oder zu erläutern. Selig, wer Gottes Wohlgefallen erlangt, und wehe dem, der achtlos ist.«
Auch wenn die Bahá'í-Lehren das Paradies in solch hohen Worten beschreiben, ist nicht alles Glückseligkeit. Es besteht immer noch Bedarf an geistigem Fortschritt, auch im Jenseits. Indem wir die Verstorbenen ehren, beten wir für den Fortschritt ihrer Seelen. Im Falle unserer eigenen Eltern ist es eine Pflicht der Bahá'í, für ihren Fortschritt zu beten, ein Dienst, den wir unseren Eltern in Dankbarkeit für ihre Opfer für uns erweisen können, die wir nie vollständig zurückzahlen können. In Ansprachen ‘Abdu’l-Bahás im Buch 'Beantwortete Fragen' steht:
»So tragen auch Vater und Mutter unendlich viel Sorge und Mühe um ihre Kinder; und oft, wenn die Kinder das Alter der Reife erreicht haben, gehen die Eltern in die andere Welt ein. Nicht häufig geschieht es, dass Vater und Mutter in dieser Welt den Lohn der Sorge und Mühe, die sie für ihre Kinder auf sich genommen haben, sehen. Darum sollen die Kinder als Dank für diese Sorge und Mühe Wohltätigkeit und Nächstenliebe zeigen und um Vergebung und Verzeihung für ihre Eltern flehen. So musst du als Dank für die Liebe und Güte, die dir dein Vater gezeigt hat, ihm zuliebe den Armen geben, mit größter Unterwerfung und Demut Verzeihung und Vergebung der Sünden erflehen und um die höchste Gnade bitten.«
Die Erfüllung dieser Aufgabe hat ihre eigenen Belohnungen, gemäß der Aussage des Bab im Buch 'Eine Auswahl aus Seinen Schriften':
»Der Diener sollte nach jedem Gebet Gott anflehen, seinen Eltern gnädig zu vergeben. Dann wird Gottes Ruf erschallen: "Abertausendfach sei dir gelohnt, was du für deine Eltern erbeten hast!" Gesegnet, wer seiner Eltern gedenkt, wenn er mit Gott Zwiesprache hält. Wahrlich, es gibt keinen Gott außer Ihm, dem Mächtigen, dem Vielgeliebten.«
Die Bahá'í-Schriften beziehen sich auf die heiligen Seelen im Paradies als die "Scharen der Höhe". Wenn deine Eltern unter ihnen sind, dann tun sie das für dich, so Bahá'u'lláh im Buch 'Ährenlese aus den Schriften Bahá’u’lláhs':
»Wahrlich, von Unserem Reiche der Herrlichkeit aus schauen Wir auf euch und werden jedem, der sich für den Triumph Unserer Sache erhebt, mit den himmlischen Heerscharen und einer Schar Unserer begünstigten Engel beistehen.«
Im Buch 'Briefe und Botschaften' zeigt uns ‘Abdu’l-Bahá mit folgenden wunderbaren Worten ein neues Verständnis vom wirklichen Leben:
»Wisse, dass das Reich Gottes die wirkliche Welt, diese Welt hienieden aber nur sein vorausgeworfener Schatten ist. Ein Schatten hat kein eigenes Leben; sein Vorhandensein ist nur ein Hirngespinst und nichts mehr; es sind nur Bilder, vom Wasser gespiegelt, die dem Auge als Gemälde erscheinen.«
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