Shoghi Effendi zitierte im Buch 'Das Kommen Göttlicher Gerechtigkeit', dass Bahá'u'lláh der Menschheit verkündete: »diese großen Heimsuchungen, die über die Welt gekommen sind, bereiten sie vor auf das Kommen der Größten Gerechtigkeit.« Seine Lehren legen einen Entwurf für die Schaffung einer gerechten Weltzivilisation dar, die auf internationaler Zusammenarbeit beruht, und die Hauptaufgabe seiner Nachfolger bestand darin, Menschen auf der ganzen Welt Zugang zu diesem Entwurf zu verschaffen.
Zu diesem Zweck arbeitete Shoghi Effendi unermüdlich daran, die Fähigkeit der Bahá'ís auf der ganzen Welt aufzubauen, Bahá'u'lláhs Botschaft zu verbreiten. Der entscheidende Kanal für seine Beratung waren Briefe an Einzelpersonen und nationale Stellen gleichermaßen. 'Das Kommen Göttlicher Gerechtigkeit' ist ein solcher Brief - ein besonders kraftvoller in seinem Aufruf an die Bahá'ís, sich an einem zweifachen Kreuzzug zur Verbesserung des inneren Lebens ihrer eigenen Gemeinde und zur Verbesserung der Gesellschaft zu beteiligen. Obwohl er an die Bahá'í in den Vereinigten Staaten und Kanada gerichtet und 1938 geschrieben wurde, gilt seine Anleitung für das Leben eines jeden Bahá'í und behält auch heute noch ihre Relevanz. Dieser Artikel soll Ihnen beim Studium dieser bedeutenden Botschaft helfen, indem er ihre Bedeutung kommentiert, ihre Geschichte Revue passieren lässt und einige ihrer Hauptthemen zusammenfasst.
Für jeden, der sein Verständnis des Bahá'í-Glaubens erweitern möchte, sind die Schriften von Shoghi Effendi von entscheidender Bedeutung, denn er hatte die Autorität, die Heiligen Schriften zu interpretieren. Insbesondere 'Das Kommen Göttlicher Gerechtigkeit' und seine anderen Botschaften an die amerikanische Gemeinschaft "sind Teil der Primärliteratur des Glaubens", so das Universale Haus der Gerechtigkeit.
Selbst innerhalb des Kanons der Botschaften an die amerikanische Gemeinschaft spielt dieser Brief eine besondere Rolle als "Bahá'í-Charta der Lehrarbeit" - in den Worten von Shoghi Effendi selbst. Das heißt, er legt dar, wie die Bahá'í die Botschaft Bahá'u'lláhs weitergeben sollten, indem er erklärt, wie sich jeder Einzelne darauf vorbereiten muss, indem er seine geistigen Fähigkeiten entwickelt. Vielleicht ist dies sogar die wichtigste Botschaft von Shoghi Effendi, was die Anleitung dazu betrifft, wie die einzelnen Bahá'í leben sollten.
Dieses Buch ist daher auch heute noch für jeden Bahá'í relevant, der danach strebt, ein tugendhaftes Leben zu führen und zur Verbesserung der Gesellschaft beizutragen. Um seine volle Bedeutung zu verstehen, muss es jedoch auch in seinen historischen Kontext gestellt werden: Es kann als eine Fortsetzung der von ‘Abdu’l-Bahá verfassten 'Sendschreiben zum göttlichen Plan' betrachtet werden.
Um Shoghi Effendis Botschaft voll und ganz zu würdigen, müssen wir auf die Jahre 1916 und 1917 zurückgehen, als ‘Abdu’l-Bahá eine Reihe von Botschaften an die Bahá'í der Vereinigten Staaten und Kanadas schrieb. Diesen Gemeinschaften vertraute er die Aufgabe an, sicherzustellen, dass jedes Land auf der Welt die Bahá'í-Botschaft erhielt.
Shoghi Effendi arbeitete eng mit diesen Gemeinden zusammen, um sie auf die Ausführung der Anweisungen Abdu'l-Bahás vorzubereiten und die Bildung und Entwicklung der gemeinsamen Nationalen Geistigen Räte zu leiten. Bis 1937 waren sie bereit, den ersten großen Schritt zur Umsetzung der 'Sendschreiben zum göttlichen Plan' in Form des "Siebenjahresplans" (Siehe: Bahá'í-Ära) zu unternehmen.
Um die US-amerikanischen und kanadischen Bahá'í bei der Umsetzung dieses Plans zu unterstützen, sandte Shoghi Effendi ihnen 'Das Kommen Göttlicher Gerechtigkeit'. Seine 124 Absätze bieten Leitlinien zu einer Vielzahl von Angelegenheiten. In den folgenden Abschnitten werden nur einige davon hervorgehoben: die besondere Rolle und die besonderen Probleme der Vereinigten Staaten und Kanadas; die Notwendigkeit einer globalen Zusammenarbeit angesichts einer sich auflösenden gesellschaftspolitischen Ordnung - und die Abhängigkeit des sozialen Wandels vom spirituellen Fortschritt jedes Einzelnen.
Die Bahá'í in den USA und Kanada hätten unter der besonderen Führung sowohl von 'Abdu'l-Bahá als auch von Shoghi Effendi ein Gefühl der Überlegenheit entwickeln können. Doch Shoghi Effendi warnt sie vor einer solchen Selbstüberschätzung und verweist auf das Beispiel Persiens, das als Geburtsort des Báb und Bahá'u'lláhs gesegnet wurde. Warum sind die Manifestationen in diesem Land erschienen? Nicht, weil es hervorragend war - sondern weil es dringend einer spirituellen Transformation bedurfte.
Ebenso wies Shoghi Effendi darauf hin, dass die Vereinigten Staaten und Kanada nicht die "Nummer 1" sind, sondern dass diese materiell wohlhabenden Nationen in gewisser Weise die spirituell am meisten entwürdigten der Welt sind. Er weist auf mehrere Übel hin, von denen insbesondere die Vereinigten Staaten betroffen sind, darunter "einen zügellosen und widerwärtigen Materialismus", "einer der bösartigsten und seit langer Zeit bestehenden Formen des Rassenvorurteils" und "politische Korruption, Gesetzlosigkeit und Lauheit seiner moralischen Maßstäbe". Materialismus, Rassismus und Korruption - das ist eine ernüchternde Liste. Dennoch, schrieb Shoghi Effendi, haben die Amerikaner erlösende Eigenschaften, welche sie mit der Fähigkeit ausstatten, ihre Gesellschaft zu verändern.
»Mögen diese Beobachtungen auch noch so unangenehm und niederdrückend sein, so sollten sie uns doch keinesfalls blind machen gegenüber jenen Tugenden und Eigenschaften hoher Intelligenz, Jugendlichkeit, unbegrenzter Initiative und Unternehmungslust, die die Nation in ihrer Gesamtheit so sichtbar entfaltet und die von der dort bestehenden Gemeinde der Gläubigen immer mehr widergespiegelt werden. Von diesen Tugenden und Eigenschaften und von der Ausmerzung der erwähnten Übel muss zu einem sehr großen Ausmaß die Fähigkeit jener Gemeinde abhängen, eine feste Grundlage für die zukünftige Rolle des Landes bei der Einleitung des Goldenen Zeitalters der Sache Bahá'u'lláhs zu legen.«
Mit anderen Worten: Die Aufgabe des Wiederaufbaus der Vereinigten Staaten ist gewaltig, aber in Reichweite. Shoghi Effendi schrieb weiter über die besondere Rolle der Bahá'í-Gemeinde:
»Wer geneigt ist, die dieser Gemeinde eingeräumte, einzigartige Stellung zu verkleinern oder die Rolle, die zu spielen sie später aufgerufen sein wird, anzuzweifeln, den lasst die Folgerungen dieser inhaltsreichen und höchst erleuchtenden Worte erwägen, die von ‘Abdu’l-Bahá geäußert wurden, zu einem Zeitpunkt, als das Wohl der Welt unter der Last eines verheerenden Krieges ächzend auf den erbärmlichsten Tiefstand geraten war. »Der amerikanische Kontinent«, so schrieb Er bedeutungsvoll, »ist in den Augen des einen wahren Gottes das Land, in dem der Glanz Seines Lichtes geoffenbart werden wird, wo die Geheimnisse Seines Glaubens enthüllt, die Gerechten verweilen und die Freien sich versammeln werden.«
»Insbesondere rühmte Er den amerikanischen Kontinent als »ein Land, darin Sein strahlendes Licht enthüllt und die Geheimnisse seines Glaubens entschleiert werden sollen«, und stellt fest, dass Amerika »allen Nationen geistig vorangehen« werde. Die Große Republik des Westens, die führende Nation auf diesem Kontinent, hebt er noch eigens hervor und erklärt, dass deren Volk »es wirklich wert« sei, »als erstes das Königszelt des Größten Friedens zu errichten und die Einheit der Menschheit zu verkünden«, und dass es »bestens ausgerüstet und befähigt ist, das zu vollbringen, was die Geschichtsbücher schmücken wird; die ganze Welt wird sie beneiden und für die Erfolge ihres Volkes wird man sie in Ost und West segnen.«
»Die eine verbleibende Hauptfestung, der mächtige Arm, der noch die Standarte dieses unbesiegbaren Glaubens hochhält, ist keine andere als die gesegnete Gemeinde des Größten Namens auf dem nordamerikanischen Kontinent. Durch ihr Handeln und durch den nie versagenden Schutz, der ihr von einer allmächtigen Vorsehung gewährt wird, berechtigt dieses hervorragende Mitglied der Körperschaft der in ständiger Wechselwirkung stehenden Bahá'í-Gemeinden in Ost und West zu der Hoffnung, auf der ganzen Welt als Wiege und auch als Bollwerk angesehen zu werden für die künftige Neue Weltordnung, die sowohl Verheißung als auch Ruhm der mit dem Namen Bahá'u'lláhs verbundenen Offenbarung ist.«
Als ein Land mit immenser Macht müssen die Vereinigten Staaten auch beim Wiederaufbau der Welt helfen, betonte Shoghi Effendi. Er schrieb über die Ära des Isolationismus nach dem Ersten Weltkrieg, als die Amerikaner sich weigerten, am Völkerbund teilzunehmen; heute haben sich die Vereinigten Staaten erneut für die Isolation entschieden. Aber ein solcher Ansatz ist nicht nachhaltig, wie er uns erinnerte:
»Die Welt verengt sich zu einer Nachbarschaft. Amerika muss dieser neuen Lage, freiwillig oder unfreiwillig, ins Gesicht blicken und sich ernstlich mit ihr auseinandersetzen. ... So widersinnig es auch erscheinen mag, so liegt doch seine einzige Hoffnung, sich aus den ringsum aufwachsenden Gefahren zu befreien, darin, sich in jenes Gewebe internationaler Verflechtungen verwickeln zu lassen, das von der Hand einer unerforschlichen Vorsehung gewoben wird.«
Mit großer Macht kommt große Verantwortung: Es ist, schrieb er, Amerikas Verpflichtung, eine internationale Föderation zu unterstützen und mit anderen Nationen zusammenzuarbeiten, um »die Geschlossenheit, Einheit und Reife der Menschheit zu verkünden.«
Jede Nation, jeder Mensch hat eine Rolle beim Umbau einer neuen Gesellschaft aus der alten beizutragen. Wenn die Dinge auseinander fallen - Zweiter Weltkrieg in Shoghi Effendis Ära; Klimawandel, Pandemie und andere Geißeln in unserer Zeit -: Shoghi Effendi erinnert uns daran, dass wir den Blick auf dieses Ziel - eine vereinigte globale Gesellschaft, richten müssen -, anstatt entmutigt zu werden:
»Diese gleichzeitigen Vorgänge des Aufstieges und des Unterganges, des Zusammenschlusses und des Auseinanderfallens, der Ordnung und des Chaos mit ihren ständigen und wechselseitigen Auswirkungen aufeinander sind nur Erscheinungen eines einzigen und unteilbaren, größeren Planes, dessen Quelle Gott und dessen Verfasser Bahá'u'lláh ist, der sich auf dem Schauplatz des gesamten Erdballs verwirklicht und dessen letztes Ziel die Einheit und der Frieden der gesamten Menschheit ist.«
Als Bahá'í haben wir die Aufgabe, zu den Kräften der Integration beizutragen - bei der Umsetzung des göttlichen Plans für eine gerechte, friedliche Welt.
Welche Aufgabe steht vor uns? - Das innere Leben der eigenen Gemeinde zu erneuern und dann die lang währenden Übel anzugehen, die das Leben ihres Volkes durchsetzt haben. Lassen wir hierzu die Worte Shoghi Effendis auf uns wirken:
»Innig geliebte Freunde! Rechtschaffenes Verhalten, das in allen seinen Äußerungen einen offenkundigen Gegensatz bildet zu der Falschheit und Verderbtheit, die das politische Leben der Nation sowie der Parteien und Interessengemeinschaften, aus denen sie besteht, kennzeichnen; Heiligkeit und Tugendhaftigkeit, die der moralischen Lauheit und Zügellosigkeit genau entgegengesetzt sind, welche den Charakter eines nicht unbeträchtlichen Teiles ihrer Bürger beflecken; Verbundenheit zwischen den Rassen, die von dem Fluch rassischen Vorurteils völlig gereinigt ist, das die überwiegende Mehrheit ihrer Einwohner brandmarkt – das sind die Waffen, welche die amerikanischen Gläubigen in ihrem zweifachen Kreuzzug handhaben können und müssen, um zuerst das innere Leben ihrer eigenen Gemeinde zu erneuern und dann die lang währenden Übel anzugehen, die das Leben ihres Volkes durchsetzt haben. Diese Waffen zu vervollkommnen und jede einzelne von ihnen klug und wirksam anzuwenden, wird sie – mehr als die Förderung irgendeines besonderen Planes, die Ausarbeitung spezieller Vorhaben oder die Anhäufung irgendwelcher materieller Mittel – auf die Zeit vorbereiten, in der die Hand der Vorsehung sie anweisen wird, mitzuhelfen bei der Schaffung und Einführung jener Weltordnung, die sich nun innerhalb der weltweiten administrativen Einrichtungen ihres Glaubens langsam entwickelt.«
Bei der Übernahme einer solch enormen Aufgabe besteht die Gefahr, dass man sich auf externe Veränderungen konzentriert und interne Veränderungen ausklammert. Wie das Universale Haus der Gerechtigkeit in der Ridván-Botschaft von 1988 sagt:
»Jetzt ist es Zeit zu handeln, sonst geht die Gelegenheit in den rasch wechselnden Launen einer rasenden Welt verloren.«
Seien Sie die Veränderung, welche Sie in der Welt sehen möchten! Das bringt uns zu Shoghi Effendi's Konzept des "zweifachen Kreuzzuges".
Shoghi Effendi erklärte, die Bahá'í hätten die Aufgabe »zuerst das innere Leben ihrer eigenen Gemeinde zu erneuern und dann die lang währenden Übel anzugehen, die das Leben ihres Volkes durchsetzt haben". Das heißt, die Bahá'í müssen ihre eigenen Versäumnisse hinterfragen und beheben, bevor sie versuchen, andere zu einer Veränderung zu bewegen. Die Regeneration des "inneren Lebens" der Gemeinde muss damit beginnen, dass alle daran arbeiten, »…durch jedes in ihrer Macht liegende Mittel jene Fehler, Gewohnheiten und Neigungen auszurotten, die sie von ihrer eigenen Nation geerbt haben".«
»In den Ausführungen über das Wesen der bevorstehenden Aufgaben bezog sich der Brief auf das, was der Hüter als geistige Voraussetzungen für den Erfolg aller Bahá'í-Unternehmungen beschrieb. Unter diesen nannte er drei, die, wie er sagte, als „vordringlich und lebenswichtig hervorragen“: rechtschaffenes Verhalten, ein keusches und heiliges Leben und Freisein von Vorurteilen.«
(Botschaft des Universalen Hauses der Gerechtigkeit, 28. Dezember 2010)
Dieser Prozess der Selbstvervollkommnung beinhaltet die Kultivierung von "drei geistigen Voraussetzungen für den Erfolg":
Angesichts des Zustands der heutigen Welt tun Sie gut daran, über die Implikationen nachzudenken, die seine Beobachtungen für die weltweite Anstrengung der Bahá'í-Gemeinde haben, die sich bemüht, ein Cluster nach dem anderen mit dem Geist von Bahá'u'lláhs Offenbarung zu durchdringen.
Alle nicht angemerkten Zitate stammen aus Shoghi Effendis Buch 'Das Kommen Göttlicher Gerechtigkeit'.
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