Das Geschenk des Bahá'í-Fastens

Das Bahá’í-Fasten

Das Fasten war in der gesamten Menschheitsgeschichte eine bedeutende Religionspraxis. Viele der Manifestationen Gottes selbst durchliefen irgendwann in ihrem Leben eine Zeit der Meditation und des Fastens, in der sie in intensiver Gemeinschaft mit Gott die Geheimnisse des Universums und die Natur ihrer Mission betrachteten.

Bahá’u’lláh versichert uns:

»Wer die heilige Verzückung des Gebets kennt, wird nicht bereit sein, Andacht und Gotteslob für alle Schätze der Welt einzutauschen. Fasten und Pflichtgebete sind wie zwei Flügel für des Menschen Leben. Selig, wer sich mit ihrer Hilfe emporschwingt in den Himmel der Liebe Gottes, des Herren aller Welten.«

Es ist jedoch wichtig zu beachten, dass das Fasten nicht als eine Praxis der Askese und auch nicht als ein Mittel der Buße verwendet werden sollte. Im Buch 'Briefe und Botschaften' von ‘Abdu’l-Bahá lesen wir:

»… körperliches Fasten ist äußeres Zeichen geistigen Fastens, es ist ein Symbol für Selbstzucht, dafür, dass man sich aller Triebe des Selbstes enthält, die Merkmale des Geistes annimmt, vom Himmelsodem weggetragen wird und an der Liebe Gottes Feuer fängt.«

Bahá'u'lláh setzte jedes Jahr einen Zeitraum von neunzehn Tagen fest, »das Fasten ist allen Gläubigen geboten, von der Vollendung des 15. Lebensjahres bis zum Alter von 70 Jahren«, jeden Tag, von Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang. Dieser Zeitraum fällt mit dem Bahá'í-Monat ‘Alá - das bedeutet Erhabenheit - zusammen, der unmittelbar vor dem Bahá'í-Neujahr liegt. Es ist eine Zeit des Gebets, der Meditation und der spirituellen Erneuerung.

Da der Monat des Fastens mit der Tag- und Nachtgleiche des März endet, so fällt das Fasten immer in den gleichen Jahreszeitraum, das heißt: in den Frühling im Norden, in den Herbst im Süden, niemals aber in die höchste Glut des Sommers oder in die strengste Kälte des Winters, wo gleicherweise sich daraus Schwierigkeiten ergeben würden. Überdies ist in diesem Teil des Jahres die Zeitspanne zwischen Sonnenaufgang und Sonnenuntergang annähernd die gleiche auf dem ganzen bewohnten Teil der Erde, nämlich von etwa sechs Uhr morgens bis sechs Uhr abends. Das Fasten ist nicht vorgesehen für Kinder und Kranke, für Reisende, oder für jene, die zu alt und zu schwach sind, sowie für Frauen, die ein Kind erwarten oder selbst stillen. Im Buch 'Bahá’u’lláh und das Neue Zeitalter' finden wir folgende Aussage:

»Das Fasten ist ein Sinnbild. Fasten bezeichnet die Enthaltsamkeit von Gelüsten. Körperliches Fasten ist ein Sinnbild dieser Enthaltung und eine Mahnung an sie. Das heißt, wie sich jemand körperlich von Gaumenreizen enthält, soll er sich von Selbstsucht und selbstischen Begierden enthalten. Bloße Enthaltung von Speise aber hat keinen Einfluss auf den Geist. Sie ist nur ein Sinnbild, eine Mahnung. Sonst hat sie keine Bedeutung. Das Fasten aus diesem Grund also bedeutet nicht völlige Enthaltung von Speise. Die goldene Regel für das Essen ist: nicht zu viel und nicht zu wenig. Mäßigkeit ist nötig. In Indien gibt es eine Sekte, die äußerste Enthaltsamkeit beachtet und ihre Speise stufenweise verringert, bis sie von beinahe nichts lebt. Aber ihr Verstand leidet darunter. Ein Mensch ist nicht fähig, Gott mit Gehirn und Körper zu dienen, wenn er durch Nahrungsmangel geschwächt ist. Er kann nicht klar sehen.«

Eine Reihe besonderer Gebete wurden speziell für die Fastenzeit offenbart. Eines zum Beispiel beginnt mit diesen Worten:

»Dies sind die Tage, o mein Gott, da Du Deinen Dienern das Fasten gebotest. Mit ihm ziertest Du das Vorwort zum Buche Deiner Gesetze, das Du Deinen Geschöpfen offenbartest, mit ihm schmücktest Du die Schatztruhen Deiner Gebote vor den Augen aller, die in Deinem Himmel und auf Deiner Erde sind. Jede Stunde dieser Tage hast Du mit einer besonderen Wirkkraft ausgestattet, unerforschlich allen außer Dir, Dessen Wissen alles Erschaffene umfasst. Auch hast Du jede Seele an dieser Wirkkraft teilhaben lassen gemäß der Tafel Deines Ratschlusses und den Schriften Deines unwiderruflichen Urteils. Jedes Blatt dieser Bücher und Schriften hast Du zudem einem jeden Volk und Stamm der Erde zugewiesen.«

Das obige Zitat legt nahe, dass wir dazu aufgerufen sind, jede Stunde, vielleicht sogar jeden Moment des Fastens eine bestimmte Tugend, eine gute Eigenschaft, zu entwickeln. Gott prüft uns während unseres ganzen Lebens, aber könnte es sein, dass er uns während des Fastens eine zusätzliche Herausforderung gibt? Die Prüfungen, die uns von Gott, dem vollkommenen Schöpfer, gesandt werden, sind eine ideale Art und Weise, das Fasten zu nutzen und in der Selbstentfaltung aktiv zu sein.

Wir können dem Fasten ein Ziel widmen

Es scheint, dass die Fastenzeit eine perfekte Zeit ist, um unser beharrliches Selbst herauszufordern, uns einige Ziele zu setzen und eine Reise zu einem Ziel zu beginnen. Warum also nicht die Fastenzeit einem bestimmten Zweck widmen?

Wie können wir die Fastenzeit zum Erreichen eines bestimmten Ziels nutzen? Die Erfahrung ist, dass der Verzicht auf Essen und Trinken zwischen Sonnenaufgang und Sonnenuntergang mehr Zeit für Gebet und Meditation freisetzt. Die Zeit, die für die Selbstreflexion aufgewendet wird, schafft einen perfekten Rahmen für uns, um uns auf höhere Ziele zu konzentrieren. Nach und nach können wir beginnen, schärfer zu sehen, wohin wir gehen.

Bahá’u’lláh macht im Abschnitt Fragen und Antworten des Heiligsten Buches 'Kitáb-i-Aqdas' deutlich, dass die Fastenzeit eine einzigartige Zeit ist, um sich für eine bestimmte Sache zu engagieren und Ziele zu setzen. Ihm zufolge sollten unsere Aktionen auf das ausgerichtet sein, was nicht nur uns, sondern der gesamten Menschheit zugutekommt:

»Das Gesetz des Fastens wurde bereits offenbart. Gelobt aber jemand Gott eines Wunsches oder eines Zieles wegen ein Fasten, so ist dies erlaubt, heute wie ehedem. Gott, erhaben sei Seine Herrlichkeit, wünscht indessen, dass Versprechen und Gelübde auf Ziele gerichtet sind, die für die Menschheit von Nutzen sind.«

Jede Stunde dieser Tage

Die Fastenzeit ist nicht wie alle anderen 19 Tage. Es ist eine faszinierende Zeit, die von Gottes besonderer Gnade und Fülle geprägt ist. Obwohl Bahá’u’lláh das Fasten außerhalb des eigentlichen Monats Alá erlaubt hat, scheint der Monat des Fastens äußerst einzigartig, ja sogar geheimnisvoll zu sein. Im Buch 'Anspruch und Verkündigung' von Bahá’u’lláh lesen wir:

»Wir bestimmten euch ein neunzehntägiges Fasten während der mildesten Zeit des Jahres. Von mehr haben wir euch in dieser strahlenden Sendung befreit. So legten wir klar und deutlich nieder, was euch auferlegt ist, damit ihr den Geboten Gottes folgt und eins seid in dem, was der Allmächtige, der Allweise, euch bestimmte. Euer Herr, der Allerbarmer, wünscht, das ganze Menschengeschlecht als eine Seele und einen Leib zu sehen. Eilt, euren Anteil an Gottes Gunst und Gnade zu erlangen an diesem Tage, desgleichen kein Auge je gesehen. Selig, wer all seine Habe aufgibt aus Sehnsucht, die Gaben Gottes zu erlangen! Ein solcher Mensch, Wir bezeugen es, gehört zu Gottes Seligen.«

Den eigenen Anteil erhalten

Eine der Möglichkeiten, auf unsere Ziele hinzuarbeiten, ist die Hinwendung zu Gott. Der Allmächtige hilft uns, durch unsere Lebensumstände zu navigieren. Er hat jede Seele mit einem Teil der Tugenden beschenkt, die in jeder Situation benötigt werden. Alles, was wir tun müssen, ist, Gottes Brunnen des Überflusses anzuzapfen und unseren Teil davon zu trinken. Bahá'u'lláh sagt im Buch 'Ährenlese':

»Die ganze Pflicht des Menschen liegt an diesem Tage darin, seinen Teil an der Gnadenfülle zu erlangen, die Gott für ihn strömen lässt. Deshalb soll niemand der Größe des Gefäßes achten. Der Anteil der einen mag in einer Handvoll liegen, der Anteil anderer mag einen Becher füllen, der wieder anderer gar das Maß eines Scheffels.«

Die Ankunft am Bestimmungsort

Laut Bahá’u’lláh setzt das Fasten Liebe und Glut frei. Diese göttlichen Elemente sind spirituelle Kräfte und Energien, die uns auf unserem Weg antreiben. In Bahá’u’lláhs Buch 'Gebete und Meditationen' finden wir eine Antwort:

»Gepriesen seiest Du, o mein Gott, da Du Naw-Rúz denen zum Fest bestimmt hast, die das Fasten aus Liebe zu Dir hielten und alles mieden, was Du verabscheust. Gib, o mein Gott, dass das Feuer Deiner Liebe und die Glut, die das von Dir befohlene Fasten erzeugte, sie in Deiner Sache entflamme und sie bestimme, sich Deinem Lobpreis und Deinem Gedenken hinzugeben.«

Wenn das Bahá’í-Fasten endet, beginnt das neue Jahr, das mit den Naw-Rúz-Feierlichkeiten beginnt. Das Ende im Anfang zu sehen, hält uns auf unser engagiertes Versprechen fokussiert. Gegen Ende des Fastens wollen wir oft wissen, ob wir unser Ziel erreicht haben. Vielleicht fragen wir uns auch, ob unser Fasten angenommen wurde. Weiter lesen wir in 'Gebete und Meditationen' von Bahá’u’lláh:

»Da Du sie schmücktest mit der Zier des von Dir vorgeschriebenen Fastens, so schmücke sie durch Deine Gnade und großmütige Gunst auch mit Deiner Annahme. Denn der Menschen Taten hängen alle von Deinem Wohlgefallen ab und sind bedingt durch Dein Geheiß. Solltest Du den, der das Fasten brach, als einen ansehen, der es hielt, so wird ein solcher Mensch zu denen gezählt, die seit aller Ewigkeit das Fasten hielten.«

Das Erreichen eines bestimmten Endergebnisses sollte nicht unser einziges Ziel sein, wenn wir uns Ziele für die Fastenzeit oder irgendetwas anderes im Leben setzen. Die Reise selbst wird uns lehren. Das Fasten ist die Ursache für das Erwachen des Menschen. Unsere Spiritualität und Liebe nehmen zu, und wir verbessern unsere Fähigkeit, Freundlichkeit und Mitgefühl zu zeigen. Mit der Aussage Bahá'u'lláhs in der Schrift 'Kitáb-i-Íqán', dem Buch der Gewissheit, wollen wir diesen Artikel beenden:

»Und da Sonne und Mond die hellsten Leuchten am Himmel sind, so wurden auch für den Himmel der Religion gleichsam zwei Leuchten verordnet: Fasten und Beten.«

 

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