Betrachten wir nochmals das Gesetz des Fastens, welches mit dem Reifealter (15 Jahre) eines jeden Bahá'í bis zu seinem siebzigsten Lebensjahr gilt. Bahá’u’lláh schrieb in Seinem Heiligsten Buch, dem 'Kitáb-i-Aqdas', Folgendes:
»Wir haben euch geboten, vom Reifealter an zu beten und zu fasten. Dies ist von Gott, eurem Herrn und dem Herrn eurer Väter, befohlen. Als Gnade aus Seiner Gegenwart hat Er jene ausgenommen, die durch Krankheit oder Alter geschwächt sind – Er ist der Vergebende, der Großmütige.«
Es gibt bestimmte Gesetze, deren Einhaltung allein zwischen dem Individuum und Gott liegt. Eins dieser Gesetze ist das Bahá’í-Fasten, welches jedes Jahr im März für neunzehn Tage stattfindet, wobei die Bahá’í von Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang - innerhalb von 19 Tagen - nicht essen und trinken sollen. Neben dem Pflichtgebet ist es eine der größten Verpflichtungen eines Bahá'í und soll den Menschen näher zu Gott bringen. Es ist eine Zeit der Besinnung, des Gebets und der Meditation. Bahá’u’lláh, der Begründer des Bahá’í-Glaubens, sagt:
»In eindeutigen Fällen von Schwäche oder Krankheit muss man nicht fasten. Dies entspricht Gottes Gebot, ewig in der Vergangenheit, ewig in der Zukunft. Wohl dem, der danach handelt.«
»Das Gesetz des Fastens ist denen bestimmt, die gesund und kräftig sind. Für den, der krank ist oder schwach, galt diese Pflicht zu keiner Zeit noch gilt sie heute.«
Bahá'u'lláh lehrte auch, dass eines der Ziele des Fastens darin besteht, dass diejenigen, die »über Mittel verfügen«, erfahren, wie sich Hunger anfühlt, und so mehr Mitgefühl für die Armen entwickeln können. Darüber hinaus beschreiben die Bahá’í-Schriften die Zeit des Fastens als eine Zeit der spirituellen Schulung und als ein Symbol der Zurückhaltung gegenüber der Selbstsucht.
Nun gibt es aber Ausnahmen, welche eigentlich nur zwischen dem der fastet und Gott geklärt werden kann. Es gibt noch einige andere Gründe, die in den Schriften dargelegt werden, warum und unter welchen Umständen das Fasten nicht praktiziert werden sollte: Reisende, Frauen, die schwanger sind, stillen oder während ihrer Menstruation. Es ist etwas Persönliches und Individuelles. Seien Sie sanft und geduldig mit sich selbst! Es ist nicht so starr. Nehmen Sie an der Lesung der Gebete teil, wenn Sie den körperlichen Teil nicht ausführen können. Es geht niemanden etwas an außer uns selbst. Trinken Sie eventuell nur etwas Flüssigkeit oder schränken Sie sich ein! Sie haben die Verantwortung, es ist eine innere Reise; obwohl der physische Körper nicht daran teilnehmen kann, kann es der innere Geist.
Lassen Sie uns einmal ein paar Ausnahmen und weitere Erklärungen, welche Bahá'u'lláh im Heiligsten Buch beschrieben hat, genauer untersuchen.
Im Buch 'Aqdas' erlaubt Bahá'u'lláh bestimmte Ausnahmen von dieser allgemeinen Fastenpflicht, zu denen auch diejenigen gehören, die schwere Arbeit verrichten, wie zum Beispiel Arbeiter in der Schwerindustrie, Reisende unter bestimmten Bedingungen, stillende und werdende Mütter sowie Kranke.
»Reisende, Kranke und jene, die schwanger sind oder stillen, sind nicht an das Fasten gebunden. Sie sind von Gott zum Zeichen Seiner Gnade davon befreit. Er ist wahrlich der Allmächtige, der Großzügigste.«
Weiterhin steht im Kitáb-i-Aqdas:
»Vom Fasten sind befreit:
a. Reisende,
i. sofern die Reise länger als neun Stunden dauert,
ii. die zu Fuß reisen, sofern die Reise länger als zwei Stunden dauert,
iii. die ihre Reise für weniger als neunzehn Tage unterbrechen.
iv. Wer seine Reise während der Fastenzeit an einem Ort unterbricht, an dem er neunzehn Tage bleibt, ist vom Fasten nur die ersten drei Tage nach seiner Ankunft befreit.
v. Wer während der Fastenzeit nach Hause zurückkehrt, muss mit dem Fasten am Tag seiner Ankunft beginnen.
b. Kranke
c. Wer das 70. Lebensjahr vollendet hat
d. Schwangere
e. Stillende
f. Frauen während ihrer Monatsregel, sofern sie ihre Waschungen verrichten und täglich einen besonders offenbarten Vers fünfundneunzigmal sprechen.
g. Wer Schwerarbeit verrichtet. Er ist angehalten, dem Gesetz dadurch Achtung zu erweisen, dass er sich diskret zurückhält, wenn er von der Befreiung Gebrauch macht.«
Die Fastenzeit, eine Zeit der Meditation und des Gebetes
Shoghi Effendi weist darauf hin, dass die Fastenzeit:
»im Wesentlichen eine Zeit der Meditation und des Gebetes, der geistigen Erneuerung ist, während der der Gläubige sich bemühen soll, sein inneres Leben wieder zu ordnen und die in seiner Seele ruhenden geistigen Kräfte zu erfrischen und zu stärken. Der Sinn und Zweck des Fastens ist geistiger Natur. Fasten ist ein Symbol, eine Mahnung, sich selbstischer und fleischlicher Wünsche zu enthalten.«
Die Zeit des Fastens kann eine der kreativsten Zeiten im Jahr sein, offen für Inspiration und Kreativität, die uns in ihrer reinsten Form durchströmt. Das Fasten hilft uns, uns Gott viel näher zu fühlen.
»Gepriesen seiest Du, o mein Gott, da Du Naw-Rúz (das Bahá'í-Neujahr) denen zum Fest bestimmt hast, die das Fasten aus Liebe zu Dir hielten und alles mieden, was Du verabscheust. Gib, o mein Gott, dass das Feuer Deiner Liebe und die Glut, die das von Dir befohlene Fasten erzeugte, sie in Deiner Sache entflamme und sie bestimme, sich Deinem Lobpreis und Deinem Gedenken hinzugeben.«
(Bahá'u'lláh, Gebete und Meditationen)
Es geht also nicht nur um das Essen und den körperlichen Akt, von etwas Abstand zu nehmen, wonach wir uns natürlich sehnen. Das Fasten hilft uns, unsere Geistigkeit zu trainieren, um besser von den Wünschen unseres niederen Ichs Abstand zu nehmen. Auch wenn wir eine Krankheit haben und der Arzt uns anweist, während dieser Tage zu essen und zu trinken, dann tun wir das. Vielleicht lässt uns das darüber nachdenken, wie sehr wir das Fasten mit dem physischen Akt des Essens und Trinkens in Verbindung bringen und nicht mit dem „grundsätzlich spirituellen Charakter“ dessen, was das Fasten darstellt.
Der Versuch, ein „spirituelles Fasten“ aufrecht zu erhalten, während wir vielleicht normal essen und trinken müssen, lässt uns erkennen, wie sehr wir das Verständnis dafür, worum es beim Fasten wirklich geht, vertiefen und verstärken können. Wie viel Zeit geben wir wirklich für Gebet und Reflexion? Sollten wir uns bemühen, die notwendigen Anpassungen im Leben vorzunehmen.
Wenn wir also aus gesundheitlichen Gründen während des Fastens essen oder trinken müssen und jemand fragt, ob wir fasten, können wir mit dem neuen Verständnis heute antworten "Ja, aber nicht mit Essen oder Trinken".
»Ruhm sei Dir, o Herr mein Gott! Jetzt sind die Tage, da Du allen Menschen gebotest, das Fasten zu halten, damit sie dadurch ihre Seelen läutern, damit sie sich lösen von allen Bindungen außer an Dich und damit aus ihren Herzen aufsteige, was des Hofes Deiner Majestät würdig ist, was dem Thronsitz der Offenbarung Deiner Einheit entspricht. Gib, o mein Herr, dass dieses Fasten zu einem Strom lebenspendenden Wassers werde, dass es die Tugend erzeuge, die Du ihm verliehen hast. Heilige dadurch die Herzen Deiner Diener, die alle Übel der Welt nicht hindern konnten, sich Deinem allherrlichen Namen zuzuwenden, ungerührt vom Lärm und Aufruhr derer, die Deine strahlenden Zeichen beim Kommen Deiner Manifestation, ausgestattet mit Deiner Souveränität, Deiner Macht, Deiner Majestät und Herrlichkeit, zurückwiesen. Sie sind die Diener, die Deiner Gnade entgegeneilten, sobald Dein Ruf sie erreichte, und die sich weder durch den Wandel und Wechsel der Welt noch durch menschliche Begrenzungen von Dir fernhalten ließen.«
(Bahá'u'lláh, Gebete und Meditationen)
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